Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
für Nacht würde sie sein Bett teilen können, ohne sich vor der Welt verstecken zu müssen. Nacht für Nacht, bis er sich von ihr abwandte. Nein, sie würde es nicht ertragen! „Ich kann Sie nicht heiraten“, verkündete sie.
„Aber Ihr Ruf ist wahrscheinlich beschädigt! Man hat uns bei Almack’s beobachtet. Vermutlich machen bereits die schlimmsten Gerüchte die Runde.“
„Das ist mir gleichgültig. Ich werde London sowieso bald verlassen.“
„Aber Sie wollten sich doch hier niederlassen!“
„Ich habe es mir anders überlegt. Schließlich gibt es nichts, was mich hier hält. Tatsächlich habe ich bereits in Erwägung gezogen, nach Paris zurückzukehren. Ich könnte einen Spielsalon eröffnen und …“
Nicholas unterbrach sie, indem er auf sie zueilte und ihre Hand ergriff. „Serena, bitte, überlegen Sie es sich noch einmal!“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich wäre nicht glücklich in einer solchen Ehe. Und Sie wären meiner bald überdrüssig. Es tut mir leid, Nicholas. Sie müssen sich wohl damit abfinden, dass Ihr Erbe diesem Jasper zufällt.“
„Das verfluchte Geld und Jasper interessieren mich nicht!“, rief er aus. „Ich will Sie nicht verlieren, Serena. Noch nicht.“
Noch nicht . Sie entzog ihm ihre Hand. „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich jetzt allein ließen.“
Abrupt wandte er sich ab. Er war zornig, enttäuscht, gekränkt, besiegt. „Ich hole Sie morgen wie geplant ab“, sagte er kalt. Dann stürzte er zur Tür hinaus.
10. KAPITEL
Der nächste Tag war warm, der Himmel wolkenlos. Selbst in London schien die Natur bester Laune zu sein. In Parks und Gärten leuchteten bunte Blumen und verströmten ihren süßen Duft. Vögel sangen, und Katzen rekelten sich in der Sonne. Serena hingegen fühlte sich niedergedrückt.
Sie trat ans Fenster und schaute auf die Straße hinaus. Bald würde Nicholas kommen, um mit ihr nach Mile End zu fahren, so wie er es versprochen hatte. Doch inzwischen bereute sie, ihn um seine Begleitung gebeten zu haben. Während der Nacht war ihr klar geworden, dass sie die Stadt baldmöglichst verlassen musste, wenn sie nicht unnötig leiden wollte. Es war unumgänglich, einen endgültigen Schlussstrich unter ihre Beziehung zu Nicholas zu ziehen. Schon viel zu lange hatte sie sich an falsche Hoffnungen und unrealistische Vorstellungen geklammert. Nicholas liebte sie nicht und würde sie nie lieben. Um sich selbst zu schützen, musste sie ihm für immer den Rücken kehren.
Gerade brachte er seinen Phaeton vor dem Haus zum Stehen. Da Serena wusste, dass er seine Pferde nur äußerst ungern warten ließ, beeilte sie sich, das Haus zu verlassen. Sie hatte ein saphirblaues Kleid gewählt und einen warmen Umhang, denn trotz der Sonne konnte es bei einer längeren Fahrt im offenen Wagen recht kalt werden. Das bezaubernde Hütchen, das ihr ein wenig schräg auf dem Kopf saß, war aus Stroh geflochten und mit blauen Bändern verziert.
Nicholas half ihr beim Einsteigen, reichte ihr eine Decke für die Knie und griff nach den Zügeln. Mit einem gezwungenen Lächeln sagte er: „Sie sehen hinreißend aus, und Ihr Charme könnte den schlimmsten Menschenfeind dazu bringen, seine Meinung über die Welt zu ändern. Natürlich würde ich mich gern mit Ihnen unterhalten. Doch wir haben eine anstrengende Fahrt vor uns, die vermutlich meine ganze Aufmerksamkeit erfordern wird. Nehmen Sie es mir daher, bitte, nicht übel, wenn mir der Sinn nicht nach höflicher Konversation steht.“
Sie schaute ihn einen Moment lang an und nickte dann.
Die Strecke legten sie schweigend zurück.
Zunächst galt es, die belebten Straßen der Stadt hinter sich zu lassen. Dann ging es in Richtung Osten übers Land weiter. Gepflasterte Straßen wurden von unbefestigten Wegen abgelöst. Zum Glück war das Wetter während der letzten Tage ziemlich beständig gewesen, sodass sie keine matschigen Abschnitte zu bewältigen hatten. Trotzdem war es bereits Mittag, als sie das Dorf erreichten.
Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto weniger dachte Serena an Nicholas und die Probleme, die ihre Liebe zu ihm ihr bereiteten. Zum Schluss kreisten all ihre Gedanken um ihren verstorbenen Papa. Plötzlich konnte sie sich an jedes einzelne Wort erinnern, das er auf dem Sterbebett gesprochen hatte. Besonders das, was er ihr über die Szene vor dem Haus in Mile End erzählt hatte, stand Serena so deutlich vor Augen, als sei sie selbst dabei gewesen.
Sie seufzte auf. Dreißig Jahre lang hatte ihr Vater die
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