Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)
erscheinen. Ich habe ihn gebeten zu kommen, um ihm den neuen Leiter der ›Söhne Odins« zu präsentieren. Sie dürfen davon ausgehen, dass er nicht begeistert ist. Weder von der Tatsache, dass ich ihm in seine Angelegenheiten pfusche, noch von der Person, die ich ihm vorschlagen werde.« Göring lächelte. »Nehmen Sie es nicht persönlich. Aber Sie und ich wissenja, dass ein solcher Posten für Sie unter normalen Umständen unerreichbar wäre.«
Hansen fühlte die Wut in sich hochkochen, den Hass auf diese Überheblichkeit, die ihn an Schulz-Kampfhenkel erinnerte. Aber er zwang sich, ruhig zu bleiben, und schwieg. Er durfte es nicht verderben. Heute war sein Tag.
»Tun Sie mir einen Gefallen, Hansen«, fuhr Göring fort. »Wenn Sie Ihre Haare schon nicht abschneiden wollen, verstecken Sie sie bitte unter der Mütze. Wir wollen dem Reichsführer keinen Schrecken einjagen.«
Das würde ohnehin passieren, dachte Hansen, denn Himmler kannte ihn bereits. Er hatte die Guyana-Pläne verworfen und ihn behandelt wie einen Kretin. Göring würde es schwerer haben als vermutet. Hansen klemmte den Zopf unter die SS-Mütze.
»Viel besser«, sagte der Reichsfeldmarschall. »So, noch eine wichtige Sache: Ich werde Ihre Ernennung mit einem aktuellen Vorfall begründen. Seit gestern liegen mir handfeste Meldungen des Forschungsamtes vor, dass es im OKW einen Verräter gibt. Einen, der Zugang zu hochbrisanten Informationen hat und davon Gebrauch macht. Alle Angriffstermine der Operation Gelb sind sofort weitergegeben worden. Das ist natürlich ein Unding. Während wir hier Pläne austüfteln, weiß der Feind schon, wann wir bei ihm auf der Matte zu stehen gedenken. Und das Schönste an der Sache: Weder Abwehr noch Gestapo sind in der Lage, den Burschen zu enttarnen. Sie erwischen ihn einfach nicht. Er ist zu clever für sie. Dagegen ist mein abgestürzter Kurier nur ein unglückliches Malheur. So schnell können sich die Dinge drehen, mein lieber Hansen.« Göring lehnte sich zurück. »Obersturmführer Hansen.«
Der Reichsfeldmarschall öffnete ein kleines Kästchen und holte eine Zigarre heraus, bot seinem Gegenüber aber keinean. Sorgfältig schnitt er ein Ende ab und drehte die Zigarre zwischen den Fingern.
»Aus Österreich. Die besten. Himmler kann den Qualm von Zigarren nicht ausstehen«, sagte er und zündete sich das eindrucksvolle Exemplar an. Hansen hätte am liebsten laut gelacht über diese Kindsköpfigkeit. Der zweitwichtigste Mann des Deutschen Reiches machte sich einen Spaß daraus, den drittwichtigsten zu ärgern – aus reiner Boshaftigkeit. Göring blies eine Rauchwolke in den Raum.
»Der Führer ist mir zutiefst dankbar und hat das Forschungsamt gelobt. Ich habe ihm versprochen, dass meine Leute den Mann aufdecken. Jetzt kommen Sie ins Spiel: Ich setze Sie mit den ›Söhnen Odins‹ auf den Fall an. Sie werden mir den Verräter liefern, und zwar schnell. Danach können Sie sich um das verfluchte Gör kümmern. Kriegen Sie das hin?«
»Ich hoffe doch«, entgegnete Hansen.
Göring beugte sich vor.
»Nur damit wir uns richtig verstehen«, polterte er. »Von Hoffen, Glauben, Hätte, Könnte, Wenn und Aber will ich nichts hören. Sie bringen mir den Verräter, basta. Wenn Sie versagen, war’s das.«
Für den Reichsfeldmarschall war er nur Mittel zum Zweck, dachte Hansen. Hatte er den erfüllt, würde Göring ihn fallenlassen. Das musste ihm klar sein. Ein kurzes Klopfen unterbrach seine Gedankengänge. Der Sekretär öffnete die Tür.
»Der Reichsführer-SS wünscht Sie zu sprechen«, sagte er.
Ohne eine Antwort abzuwarten, schritt Himmler energisch ins Zimmer. Seine kleinen Augen blickten hinter der Nickelbrille genervt von Göring zu Hansen und zurück. Der Reichsfeldmarschall hatte sich erhoben, Hansen ebenfalls.
»Heil Hitler«, sagte Göring beiläufig und wies mit der Rechten, in der die Zigarre vor sich hin qualmte, auf den freienStuhl. »Bitte setzen Sie sich. Das ist Obersturmführer Hansen.«
Himmler taxierte Hansen noch im Stehen.
»Sie machen Witze«, sagte er zu Göring gewandt.
»Ich verstehe nicht.«
»Nehmen Sie die Mütze ab«, raunzte Himmler Hansen an. Der blickte fragend zu Göring, der die Szene interessiert, aber ungerührt beobachtete. Hansen lüftete seine Kopfbedeckung, die Haare rutschten darunter hervor und fielen bis über die Schultern.
»Das ist nicht Ihr Ernst«, sagte Himmler erbost in den Raum, meinte aber wohl seine beiden Gesprächspartner.
»Ich weiß nicht,
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