Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)
wenig begeistert. Als Krauss ihm vom Tod der SOE-Männer berichtete, reagierte der Brite mit unterdrückter Wut, schimpfte leise vor sich hin. Ob es eine Chance gab, dass Krauss der britischen Regierung Hitlers Sohn zuführte?, fragte Doyle daraufhin. Krauss hatte vermutet, dass der MI5-Mann von Mortimer eingeweiht worden war. Aber die Engländer wussten nicht, wo sie suchen sollten. Auch wenn es Krauss nicht behagte, er durfte Doyle nicht verärgern, brauchte ihn für seine Pläne. Krauss erklärte, es sei sein Ziel, den Jungen zu schützen. Wenn das MI5 ihn unterstützte, würde er darüber nachdenken, das Kind auszuliefern. Das war natürlich eine Lüge. Sollte der Junge da sein, wo Krauss ihn wähnte, würde er dort auf Hansen warten. Und ihn töten. Danach war Philipp in Sicherheit. Und weder Doyle noch Göring oder sonstwer würde in der Lage sein, ihn aufzustöbern. Aber das konnte er dem MI5-Offizier nicht sagen. Stattdessenblieb er vage. Doyle spürte das. Er wollte Zugeständnisse. Krauss pokerte.
»Wenn Sie mir jetzt helfen, gebe ich Ihnen mein Ehrenwort, dass ich alles tue, was in meiner Macht steht, um Adolf Hitler zu töten. Ich werde alle meine Energie in diese Aufgabe stecken und nicht ruhen, bis ich sie erfüllt habe. Koste es mich, was es wolle. Das zumindest kann ich Ihnen versprechen, Doyle.«
Zwei Tage später besaß er genug Geld und das Ticket für eine Schiffspassage nach Buenos Aires. Dort angekommen, machte er die von Oda benannte Familie ausfindig und observierte das Haus. Als er Philipp zum ersten Mal sah, spürte er eine tiefe Erleichterung – und die Vorfreude darauf, Hansen die letzte Überraschung seines Lebens zu bereiten. Krauss musste nur warten. Irgendwann würde Hansen aufkreuzen. Dass die Wiedersehensparty nicht so gelungen war, wie er sich das vorgestellt hatte, wurmte Krauss. Wieder war ihm Hansen entkommen, noch dazu mit dem Jungen. Und es war allein Krauss’ Schuld. Er hätte Philipp längst in Sicherheit bringen können, wollte aber unbedingt mit Hansen abrechnen.
Über dem Horizont war ein rötlicher Schimmer zu sehen. Nicht mehr lange, und die Sonne würde aufgehen. Unten auf der Straße tat sich etwas. Die hinteren Türen des Lieferwagens schwangen auf. Zwei Männer traten heraus, streckten sich wie nach einer anstrengenden Fahrt. Offensichtlich warteten sie schon länger. Ein weiterer, ziemlich kräftiger Kerl schälte sich aus dem Schatten zwischen zwei Lagerhallen. Im Licht der Laterne konnte Krauss ihre Gesichter gut erkennen. Hansen war nicht dabei. Sie sprachen kurz miteinander und marschierten los, die Straße hinauf. Hundert Meter weiter verschwanden sie in einem Schuppen, ähnlich dem, auf dessen Dach Krauss lag. Vorsichtig kroch er zur Luke, kletterte ins Gebäude und nahm denselben Weg zurück, den er gekommenwar. Wenige Minuten später öffnete er die Tür des Schuppens, in den sich das Trio zurückgezogen hatte, wahrscheinlich, um eine Pause einzulegen. Ziemlich unprofessionell, dachte Krauss. Er entsicherte die Walther, hielt sie nach vorn gerichtet. Die Halle ähnelte der, in der er zuletzt gewesen war, nur dass die Büros hier ebenerdig lagen. Ein Lichtschein aus einem der mittleren Fenster erhellte schwach den großen Raum, spendete genug Licht, um Krauss den Weg zu weisen. Er hörte Gelächter. Die Büros waren hintereinander angeordnet wie Schuhschachteln. Krauss wählte den Eingang des vordersten Raumes und ging vorsichtig mit der Waffe im Anschlag zur Durchgangstür des angrenzenden Zimmers, in dem er die Männer vermutete. Zu recht.
Als er die Tür öffnete, drehten sie sich erschrocken zu ihm um. Einer fehlt, dachte Krauss im selben Moment, als ihn von hinten zwei bärenstarke Arme umklammerten. Die Waffe fiel zu Boden. Krauss’ Oberkörper wurde so fest zusammengepresst, dass ihm die Luft wegblieb. Das musste der kräftige Kerl sein, dachte er. Einer der Männer vor ihm kam grinsend auf ihn zu, in der Hand einen Totschläger. Nein. Wenn sie ihn überwältigten, würde Hansen am Leben bleiben. Krauss riss beide Beine hoch und trat dem Angreifer vor die Brust. Der Mann wurde zurückgeworfen, während Krauss und sein Kontrahent durch den Schwung zurücktaumelten und gegen etwas Hartes stießen, einen Schrank oder einen Schreibtisch. Krauss spürte, wie sich der Schraubstockgriff minimal lockerte. Er senkte seinen Kopf nach vorn und rammte ihn mit aller Kraft nach hinten. Der Klammeraffe stöhnte laut auf, seine Muskeln erschlafften. Krauss
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