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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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einen Handel an: Sie garantieren mir Stillschweigen überunser heutiges Gespräch, ich verspreche Ihnen, das Problem Hansen ein für alle Mal aus der Welt zu räumen.«
    Schulz-Kampfhenkel sah ihn schweigend an.
    »Einverstanden«, sagte er leise.
    Was für ein skrupelloser Schuft, dachte Krauss. Er räusperte sich.
    »Sollten Sie sich nicht daran halten, werden Sie und Ihre Familie mich vielleicht eines Tages wiedersehen. Und glauben Sie mir, Sie werden nicht erfreut darüber sein.«
    Zwischen ihnen breitete sich eine unangenehme Stille aus, in der jedes Stühleknarren überlaut zu hören war. Im Erdgeschoss hüstelte jemand.
    »Ich brauche Ihre SS-Uniform«, hatte Krauss das Schweigen gebrochen. »Und Geld.«
    Schulz-Kampfhenkel erfüllte seine Wünsche, war froh, ihn loszuwerden. Ob er sich an die Abmachung halten würde, schien Krauss fraglich. Immerhin hatte der wagemutige Entdecker Angst vor ihm, das würde helfen. Krauss zog noch im Haus Schulz-Kampfhenkels SS-Uniform an. Sie verschaffte ihm größeren Handlungsspielraum. Er musste sich frei bewegen können, die Flucht aus Deutschland und seine Reise vorbereiten. Vom Anwesen der Schulz-Kampfhenkels in Buckow steuerte Krauss die Praxis der Weinbergs an. Vielleicht standen die Räume noch leer, und er konnte dort unterschlüpfen. Tatsächlich war die Wohnung nicht neu vermietet. Das Arztschild hing wie früher draußen an der Tür, es zeigte einen gelben Kreis mit blauem Davidstern und den Zusatz: »Zur ärztlichen Behandlung ausschließlich von Juden berechtigt.« Nun, Krauss war weder Jude noch krank, aber er betrachtete sich als einen Freund der Familie.
    Als er die Tür hinter sich schloss und die Zimmer inspizierte, in denen Oda und er ins Leben zurückgefunden hatten, überrollte ihn eine Welle aus Sehnsucht und Schmerz. Alleswar verwüstet, das Mobiliar zerschlagen, die Regale eingerissen, Bücher und Scherben bedeckten den Boden. Krauss sah nicht nur die Wohnung, sondern auch seine Existenz, die in Trümmern lag und nicht mehr reparabel erschien. Sein Kummer kannte weder Worte noch Tränen. Nur abgrundtiefe Abscheu. Er tröstete sich mit dem Gedanken, die Weinbergs überredet zu haben, das Land zu verlassen. Wenigstens das. Aber selbst diese Illusion war ihm nicht vergönnt. Drei Tage später, als Krauss die Wohnung verließ, um nach Belgien aufzubrechen, begegnete er vor dem Haus einem Mann, der ihn aus traurigen Augen taxierte.
    »Ich kenne Sie«, sagte er, unbeeindruckt von der SS-Uniform.
    Krauss blickte sich nervös um.
    »Keine Sorge«, beruhigte ihn der Mann. »Niemand weiß, dass Sie hier sind. Außer mir. Ich bin mit den Weinbergs befreundet.«
    »Wissen Sie, wie es Ihnen geht?«
    »Deshalb bin ich hier. Ich habe schlechte Nachrichten. Die Familie hat es nicht auf das Schiff geschafft. Sie wurde festgenommen. Seitdem habe ich nichts mehr gehört.«
    Krauss starrte den Mann nur an. Die Worte sickerten langsam in sein Bewusstsein, ätzten sich durch seinen Verstand wie Säure. Nicht geschafft. Festgenommen. Ein kalter Schlund öffnete sich in seinem Bauch.
    »Wo hält man sie fest?«, fragte er.
    »Ich habe gehört, in Bremen. Aber sicher weiß ich es nicht.«
    Hannah, dachte Krauss. Nicht das Kind. Er wankte. Der Mann packte seinen Arm.
    »Sie können nichts tun. Ich dachte nur, Sie haben ein Recht, es zu wissen. Samuel hat sehr gut von Ihnen gesprochen. Er sagte, dieses Land brauche mehr Menschen Ihres Formats. Ich fürchte, es braucht noch viel mehr.«
    Die Schwäche war vorüber. Krauss hatte sich wieder gefangen. Der Mann deutete ein Nicken an, drehte sich um und marschierte davon. Benommen ging Krauss zurück in die Praxis, durchwühlte Schränke und Schubladen, bis er fündig wurde. Ein Foto der Familie, mit allen drei Kindern. Die Weinbergs standen kerzengerade, Hannah trug Zöpfe und grinste mit offenem Mund, so dass eine Zahnlücke zu sehen war. Minutenlang betrachtete Krauss das Bild, steckte es ein. Die Familie hatte dieses Schicksal nicht verdient. Aber darum ging es hier nicht. Nur um Macht und Wahn.
    Zwei Tage später kontaktierte er aus Antwerpen Doyle, seinen ehemaligen Verbindungsoffizier beim MI5 in London. Es war kein erfreuliches Gespräch. Aus der Perspektive der Briten hatte Krauss nichts erreicht, seinen Auftrag, Hitler zu töten, vermasselt. Nur eigene Ziele verfolgt. Immerhin waren die »Söhne Odins« geschwächt. Vielleicht löste Himmler die Einheit sogar auf, nach dem neuerlichen Fiasko mit Hansen. Doch Doyle schien

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