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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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nach diesem Besuch schien es ihm fast unmöglich. Man wollte ihn nicht haben. Ihn, den Zivilisten, den Verrückten, den »weißen Indianer«. Frustriert verließ er Himmlers Büro. Dennoch war es zu früh, um aufzugeben. Einen weiteren Versuch gestand er sich noch zu. Er würde es bei Hermann Göring probieren. Vielleicht hatte er beim Reichsfeldmarschall mehr Glück.
    Tatsächlich konnte er den Gang der Ereignisse kaum fassen. Auch beim zweiten Mann des Deutschen Reiches wäre er fast gescheitert, aber dann spielte ihm das Schicksal eine besondere Karte zu. Jetzt hatte er sein eigenes Abteil in Görings Sonderzug und einen Spezialauftrag dazu. Er sollte eine Gefangene zum Reden bringen. So schnell änderten sich die Dinge.
    »Oda beschützt einen Jungen, der mir sehr viel bedeutet«, hatte Göring gesagt. »Und sie wird mir auf keinen Fall freiwillig verraten, wo er steckt. Nicht einmal unter Druck. Sie ist eine außergewöhnliche Frau. Deshalb müssen wir außergewöhnliche Methoden anwenden. Wenn Sie den Aufenthaltsort des Jungen herausbekommen, werde ich mich für Ihre Belange einsetzen, mein lieber Hansen. Mein Ehrenwort.«
    Hansen traute dem betont jovialen Reichsfeldmarschall zwar keine Sekunde, wusste aber keinen anderen Weg, ans Ziel zu gelangen. Erst einmal würde er versuchen, an die Informationen zu kommen, nach denen Göring verlangte. Dann galt es, neu zu entscheiden. Zumal es einen Grund haben musste, dass ihn dieser selbstverliebte Machtmensch nicht in die Details einweihte. Wer war dieser mysteriöse Junge? Was für ein Geheimnis umgab ihn? Das musste er ebenfalls herausfinden.
    Er hob den ledernen Arztkoffer von der Gepäckablage seines Abteils. Darin transportierte er einen Teil seiner Mixturen und einige Pulver, die starke Halluzinationen auslösten. Außerdem enthielt die Tasche einige vergiftete Pfeile und ein kurzes Blasrohr. Damit würde er Oda das Pulver tief in die Nasengänge jagen, genauso, wie es Saracomano bei ihm getan hatte. Nur dass die Zusammensetzung des Pulvers eine andere war. Wie es am Ende wirkte, würde er sehen. Seine Kunst war keine, die sich genau berechnen ließ. Er würde Dinge ausprobieren, und seine Gefangene würde sie aushalten müssen. Der Gedanke verbesserte seine Stimmung. Zum ersten Mal durfte er im Namen einer höheren Instanz seinen Gelüsten nachgehen. Dies zur Regel zu machen, war sein erklärtes Ziel.
    Hansen sortierte die Pulver, dachte nach. Noch ungefähr eine Stunde bis Burg Veldenstein. In dem Schloss an der Pegnitz gedachte Göring seinen Geburtstag zu verbringen. Die Frau, die auf Hansens Behandlung wartete, wirkte hart, unnahbar.In einer Stunde traute er sich nicht zu, sie zu knacken. Erst einmal musste das Pulver seine Kraft entfalten. Hansen entschied sich zu warten. In der Burg würde er alle Zeit der Welt haben, um seine Gefangene an die Grenzen ihrer Möglichkeiten zu bringen.

20.
B ERLIN
    12. Januar 1940
Bäckerei Harbacher
    Vor drei Stunden hatte es wieder angefangen zu schneien. Krauss schaltete ab und an die Scheibenwischer des gestohlenen Opels ein, um den freien Blick auf die Konditorei Harbacher zu behalten. Trotz dicker Handschuhe fühlten sich seine Finger steif an. Er konnte sich kaum an einen ähnlich strengen Winter erinnern. In den vergangenen Jahren hatte es im Januar ohnehin meist nur genieselt, kalter Londoner Regen. Entsprechend stuften die Menschen in England die Jahreszeiten nach der Temperatur des Niederschlags ein. Hier in Deutschland war das anders. Hier lag eine geschlossene Schneedecke über dem Land, und die Kälte drang einem in die Knochen. Straubinger saß dick in seine Jacke gemümmelt neben ihm und hielt die Arme vor der Brust verschränkt, als könne er so die Kälte davon abhalten, sich in seinem Körper auszubreiten. Ihr Atem produzierte weiße Wölkchen. Sie durften den Motor und damit die Heizung nicht anstellen, weil das zu auffällig gewesen wäre. Es war drei Uhr dreißig morgens, ungefähr in einer halben Stunde wollte Harbacher gen Neuhaus bei Nürnberg aufbrechen. Straubinger hatte sich als Görings Küchenchef ausgegeben und bei ihm angerufen. Harbacher bestätigte die Ankunftszeit um zehn Uhr morgens, sofern es der Verkehr und die Wetterlage ermöglichten. Und er garantierte, dass er persönlich für einen reibungslosen Ablauf des Transports sorgen werde.
    Krauss hatte gehofft, dass Harbacher zwei Mitarbeiter schicken würde. Stattdessen erwartete man den Konditor höchstselbstauf Burg Veldenstein.

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