Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)
Minuten lang einen Vorsprung herausfahren.
»Tu mir einen Gefallen, Theo«, sagte Krauss. »Halte dich an den Plan. Ich möchte nicht, dass Harbacher etwas zustößt.«
»Ich bin kein Mörder«, entgegnete Straubinger. Im Gegensatz zu dir. Er sprach es nicht aus, aber Krauss verstand.
»Mach dich nicht lächerlich. Du bist ein ›Sohn Odins‹.«
»Ich habe noch nie einen Menschen angefasst.«
Sich nicht die Finger schmutzig zu machen, befreite nicht von Schuld, dachte Krauss. Ganz und gar nicht. Aber viele dachten so. Das machte es leichter.
»Du bist ein Stratege, ein Techniker. Aufgrund deiner Überlegungen sind Menschen gefoltert und getötet worden.«
Straubinger sah ihn von der Seite an.
»Ich habe höchstens Denkanstöße gegeben. Aber niemals Entscheidungen getroffen. Schon gar nicht über Leben und Tod. Du dagegen hast den Finger gekrümmt, Dutzende Male. Du hast sogar Unbewaffnete getötet, in der Gestapo-Zentrale. Hingerichtet. Erzähl mir bitte nicht, was ich tun soll.«
Lassen wir das, dachte Krauss. Es war sinnlos.
»Schon gut. Halte dich an den Plan.«
Hundert Meter vor ihm leuchteten die Bremslichter des Lieferwagens auf. Er war auf Mortimer und Miller gestoßen.Krauss trat aufs Gas, um schnell eingreifen zu können. Er sah, wie Harbacher ausstieg. Ein Mann trat auf ihn zu, Krauss konnte nicht erkennen, ob es Mortimer oder Miller war. Nur dass er eine Pistole auf Harbachers Stirn gerichtet hatte. Der Konditor hob abwehrend die Hände. Krauss stoppte den Opel hinter dem Lieferwagen. Harbacher fiel rücklings in den Schnee. Krauss hatte den Schuss nicht gehört. Er stürzte aus dem Wagen, lief auf den Konditor zu. Im Licht der Scheinwerfer sah er, wie eine dunkle Lache unter Harbachers Kopf den Schnee rot färbte.
»Verdammt, was soll das!«, schrie Krauss den Schützen an. Es war Mortimer.
»Wir haben Anweisungen«, sagte der kühl. »Jedes Risiko, erkannt zu werden, ist unbedingt zu vermeiden. Der Mann war ein Risiko.«
»Niemals, wenn ihr euch an die Absprachen gehalten hättet.«
Krauss verfluchte sich. Er hätte es besser wissen müssen. Diese Typen waren rücksichtslos.
Er sah in das Führerhaus des Mercedes. Es war leer. Miller hatte den Angestellten aus dem Wagen gezerrt. Wahrscheinlich war er bereits tot. Mortimer schleifte Harbacher an den Füßen in den Straßengraben. Dort lag der andere Bäcker mit dem Gesicht nach unten im Schnee. Miller zog ihm den weißen Kittel aus, schlüpfte selbst hinein. Auch Mortimer befreite den toten Harbacher von dessen Konditorjacke. Er hielt sie Krauss hin. Am liebsten hätte Krauss die beiden Briten auf der Stelle erschossen. Aber dann wäre Oda verloren gewesen. Schweigend nahm er die Jacke. Mortimer trat näher an Krauss heran.
»Das hier bereitet mir kein Vergnügen. Es ist mein Geschäft. Wir sind im Krieg. Ich habe Interessen zu schützen, einen Auftrag durchzuführen. Ich werde alles tun, was dafür notwendig ist. Das solltest du wissen.«
Krauss zog Harbachers Jacke über. Miller rollte die Leichen tiefer in den Graben, warf Zweige darüber und schob mit den Händen von oben Schnee nach. Mortimer ging zurück zum BMW.
»Nur eines noch«, sagte Krauss. Er hatte seine Stimme wieder im Griff. Der Brite blieb stehen, drehte sich zu ihm um. »Wenn du noch einmal gegen unsere Absprachen verstößt, werde ich ebenfalls tun, was notwendig ist.«
Sie fuhren weiter durch die Nacht. Krauss saß jetzt am Lenkrad des Lieferwagens, auf dem Beifahrersitz hockte Miller. Mortimer steuerte den BMW, Straubinger den Opel. Eigentlich sollte er mit Harbacher und dessen Angestelltem zurück nach Berlin fahren, sie über den Vormittag festhalten – wenn die Briten nicht ihr eigenes Süppchen gekocht hätten. So folgte ihnen Straubinger zur Burg. Seine genaue Aufgabe war unklar. Krauss fand es sinnvoll, ihn strategisch günstig zu platzieren, falls etwas schiefging. Mortimer würde die Rolle des Scharfschützen übernehmen und ihre Flucht decken, Baldwin sollte auf dem Motorrad dazustoßen, blitzschnell zuschlagen und Verwirrung stiften. Miller war der Mann, auf den es ankam. Mortimer hatte ihn dazu bestimmt, an Krauss’ Seite in die Burg einzudringen und Oda zu befreien. Miller gehorchte kommentarlos. Er war der Schweigsamste des mörderischen Trios, aber sicher nicht weniger gefährlich als seine Kameraden. Krauss nahm sich vor, sie nicht mehr aus den Augen zu lassen. Wegen der beiden toten Bäcker fühlte er sich schuldig. Ihre Hilfsbereitschaft und
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