Ein Freund aus alten Tagen
ging er schon mal zum Wohnzimmer, blieb aber in der Türöffnung stehen. Das Bücherregal an der Wand war mit Reihen von Taschenbüchern und Dokumentenmappen gefüllt. Auf den Stühlen und auf dem gesamten Fußboden standen Papptüten mit vergilbten Blättern und Zeitschriften verteilt. Auf der Couch lagen neben einer Reihe von Aktenordnern zwei schlafende Katzen.
»Ich habe meine Papiere ein bisschen geordnet«, erklärte Salling, als er aus der Küche kam. »Ich bin seit ein paar Wochen damit beschäftigt, die Dokumente zu ordnen. Eigentlich schon seit dem Frühjahr.«
Salling verstummte, als wäre ihm der lange Zeitraum gerade erst bewusst geworden. Er trug die Katzen in einen angrenzenden Raum und bat seinen Gast, Platz zu nehmen.
»Als Historiker sind Sie es sicher gewöhnt, von Papierstapeln umgeben zu sein.« Er hob einen Haufen Blätter von einem alten Bürostuhl und setzte sich Meijtens gegenüber. »Das war wirklich eine freudige Überraschung, als Sie mir von Ihrem Forschungsprojekt erzählt haben. Ich nehme an, dass es innerhalb der Geschichtsschreibung ein relativ unerforschtes Thema ist?«
Meijtens zog seinen Notizblock heraus. »Das stimmt. Zu den Friedensbewegungen der Nachkriegszeit ist sehr wenig geforscht worden, was einem seltsam vorkommt, wenn man bedenkt, wie sie die politische Entwicklung beeinflusst haben. Nehmen Sie nur den Vietnamkrieg …«
Salling nickte enthusiastisch. »Der Kampf gegen Atomwaffen in Westeuropa. Der Druck aus der Bevölkerung gegen das Wettrüsten …«
Er zählte Beispiele und persönliche Erinnerungen auf. Wir unterschätzen zu oft den menschlichen Faktor, dachte Meijtens. Als er seinen Termin am Vorabend mit Natalie und Jakub vorbereitet hatte, waren sie sich nicht sicher gewesen, wie Salling reagieren würde. Würde er herumtelefonieren, um sich zu erkundigen, ob es das Forschungsprojekt »Westeuropäische Friedensbewegungen in den Jahren 194…990« tatsächlich gab? Aber der freundliche kleine Mann zeigte keinerlei Anzeichen von Misstrauen. Veritas war ganz offensichtlich Sallings Leben gewesen.
»Manchmal versuche ich, mit meinen Kollegen im Museum über diese Dinge zu sprechen, aber dort interessiert das keinen. Schon seltsam.«
Er sah Meijtens an, als würde er aufrichtig nach einer Antwort suchen, stand dann mit einem Ruck auf und ging zu einem Bücherregal voller Dokumentenmappen.
»Am Telefon haben Sie gesagt, Sie hätten konkrete Fragen zu dem Kongress 1963 in Bukarest.« Er hob einen Stapel vergilbter hektografierter Blätter herab und blätterte mit gerunzelter Stirn darin herum. »Ich habe in meinen Unterlagen gesucht und versucht, mich zu erinnern. Ich habe mein eigenes System.«
»Heißt das, Sie glauben, dass Sie an dem Kongress teilgenommen haben?«
»Hier habe ich das Material über Friedensinitiativen zwischen Ost und West. Dazu müssten eigentlich auch die Unterlagen über den Kongress in Bukarest gehören.«
Er verlas mit lauter Stimme die ersten Zeilen jedes Dokuments. »Der Marsch gegen Atomwaffen England 1960, Anweisungen an die Teilnehmer. Das Weltjugendforum in Moskau 1961, die Botschaft der Kommissionen an die Jugend der Welt …«
»Wir sind daran interessiert, mit Schweden zu sprechen, die damals dabei waren«, sagte Meijtens und räusperte sich.
Salling wandte den Blick nicht von seinen Dokumenten. »Das Abrüstungsseminar in Krakau, die Friedensarbeit in den europäischen Studentenorganisationen …«
»Wir würden gern wissen, was Ihre Eindrücke vom Dialog zwischen den Delegierten aus dem Osten und dem Westen waren, von den Konflikten zwischen Chinesen und Russen. Solche Dinge.«
»Ich versuche, die Abschlusserklärung zu finden. Bei jedem Kongress gab es eine Abschlusserklärung, die müssen Sie eigentlich sehen.« Salling war freundlich, aber bestimmt, als würde er Museumsbesucher zu Ausstellungsstücken lotsen, die sie in seinen Augen auf gar keinen Fall verpassen durften.
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, waren Sie selbst dort.«
»Oh, diese Kongresse hatten einen unschätzbaren Wert, es nahmen immer ein paar Mitglieder von Veritas teil. Immer. Die sozialistischen Staaten haben in der schwedischen Presse niemals die gebührende Anerkennung für ihre großartige Friedensarbeit bekommen.«
»Was waren Ihre persönlichen Eindrücke?«
Plötzlich hielt Salling eine Broschüre in einem fröhlichen Vierfarbendruck hoch. »Die Koreaner, ganz wunderbare Menschen.« Dann setzte er glücklich seine Durchsicht
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