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Ein Freund aus alten Tagen

Ein Freund aus alten Tagen

Titel: Ein Freund aus alten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magnus Montelius
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an. »Was meinen Sie?«
    »Ich meine Rooth, hat er Sie geschickt, um mir diese Fragen zu stellen?«
    »Johan Rooth? Natürlich nicht, warum sollte er das getan haben?«
    »Es war doch nur eine unschuldige Glosse, sonst nichts.«
    Salling betrachtete seine Tomatenpflanzen und danach die Vorortlandschaft. Für eine Weile schien er völlig in Gedanken versunken zu sein. Er hatte sich regelmäßig aus der Flasche bedient, und Meijtens stellte fest, dass sein Gastgeber inzwischen ziemlich betrunken sein musste.
    »Eine Glosse, sagten Sie?«
    »Wenn ich bei internationalen Veranstaltungen gewesen war, schrieb ich anschließend immer einen Artikel für Veritas, aber ich schrieb auch andere Sachen, Buchkritiken und so.«
    Er füllte sein Glas ein weiteres Mal und schmatzte nachdenklich, als würde er eine Suppe abschmecken.
    »Und damals haben Sie eine Glosse geschrieben?«
    »Rooth wies mich an, nichts zu schreiben. Ich glaube, er fand es unangemessen, weil der Kongress von den wachsenden Differenzen zwischen der Sowjetunion und China geprägt war.«
    Der Wind hatte sich gelegt. In der ganzen Hochhaussiedlung herrschte vollkommene Stille. Als Salling weitersprach, hatte seine Stimme einen flehenden Unterton bekommen, so als könnte Meijtens alles wieder ins rechte Lot bringen.
    »Ich habe trotzdem eine Glosse geschrieben. Darin ging es überhaupt nicht um diese Differenzen. Eines Abends während des Kongresses war ich mit zwei Polen in der Stadt unterwegs, und danach bin ich den beiden immer wieder begegnet. Das war lustig, weil …« Er verstummte abrupt und starrte unglücklich vor sich hin. »Ich weiß gar nicht mehr, was so lustig daran war, worum sich der Artikel drehte. Aber es war nur eine Glosse, es ging darin gar nicht um den eigentlichen Kongress!«
    »Aber Rooth nahm Ihnen den Text trotzdem übel?«
    »Ich schickte ihn ein und dachte nicht mehr daran. Plötzlich rief Rooth mich an und war außer sich vor Wut. Er schrie mich an, ich sei ein schlechter Genosse und Verräter. Ein paar Tage später begegnete ich ihm, und da war er noch wütender, auch wenn er nicht so viel sagte. Sie ließen mich nie wieder etwas schreiben.«
    »Was meinte er damit, Sie seien ein Verräter?«
    Aber Salling schien ihn nicht gehört zu haben.
    »Wurde die Glosse in Veritas gedruckt?«
    Salling schüttelte den Kopf. »Rooth hatte den Artikel in letzter Minute entdeckt und herausgenommen.«
    »Haben Sie das Manuskript noch?«
    »Nein, und ich bezweifle sehr, dass es sich im Archiv von Veritas befindet.«
    Das bezweifelte Meijtens allerdings auch.
    »Worum ging es noch mal in dem Artikel?«
    Aber Salling gehörte offensichtlich zu den Menschen, die einem nicht mehr zuhörten, wenn sie betrunken waren. Er schien die Frage nicht gehört zu haben und erzählte stattdessen weiter. Nach dem Zwischenfall mit der Glosse hatten ihn viele plötzlich nicht mehr gegrüßt. Menschen, die von der Geschichte im Grunde gar nichts wissen konnten und die sie wohl auch kaum interessiert hätte. Er ging davon aus, dass sie etwas völlig anderes gehört hatten.
    »Wissen Sie, es war so, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Plötzlich waren alle Freunde bei Veritas verschwunden, und ich hatte doch keine anderen.«
    Auf einmal fiel ihm der Topf ein, der immer noch auf dem Herd stand, und er richtete sich auf, um in die Küche zu gehen, stolperte und musste sich am Balkongeländer festhalten.
    »Ich mache das«, sagte Meijtens. Salling schien weder in der Verfassung zum Kochen noch für ein Interview zu sein.
    In der Küche musste Meijtens feststellen, dass das Essen angebrannt war. Er zog den Topf von der Herdplatte und rührte in dem vergeblichen Versuch, noch etwas zu retten, darin herum. Überall standen schmutziges Geschirr und geöffnete Konservendosen, die einmal billige Fertiggerichte enthalten hatten. In einer Ecke befanden sich mehrere Flaschen bulgarischer Rotwein. Er fragte sich gereizt, wie viel Vertrauen er überhaupt in etwas setzen konnte, woran Salling sich nach fast drei Jahrzehnten erinnerte.
    Als er auf den Balkon zurückkehrte, entdeckte er entsetzt, dass Salling auf einem Stuhl herumbalancierte, um an eine Tomatenpflanze auf dem obersten Regalbrett heranzukommen.
    »Ich dachte, dass Sie vielleicht meine letzten Tomaten für dieses Jahr probieren möchten. Die habe ich mir für einen ganz besonderen Besucher aufgehoben.«
    Meijtens gelang es, Salling davon zu überzeugen, dass dies nicht nötig sei, und half ihm

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