Ein Freund aus alten Tagen
Ohren, denn die linke Anti-Laurén-Lobby gab nach, und er wurde in die Gruppe radikaler Berater um den Außenminister aufgenommen. Dank Wijkman standen ihm nun alle Türen offen. Seine alten Gönner aus der Geheimdienstzeit konnten bestätigen, dass er auf der richtigen Seite stand, gleichzeitig wehrte Wijkmans Fürsprache den Widerstand des immer einflussreicheren linken Parteiflügels ab. Und auf dieser Welle ist er seither geritten.«
»Das heißt, ganz gleich, ob nun Wijkman oder Terselius …«
»… ist Laurén mit Händen und Füßen an Tristan gefesselt gewesen. Entweder als Ehemann oder als ein Freund, der einem anderen zu großem Dank verpflichtet war.« Jakub lächelte, aber als er weitersprach, verschwand sein Lächeln. »Ich fürchte, ihr seid da auf etwas sehr Kompliziertes gestoßen. Vielleicht zu kompliziert, um es in eurer Zeitschrift zu veröffentlichen, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt.«
Er verblüffte Meijtens damit, die gestapelten Plastikbecher treffsicher in den Papierkorb zu werfen.
»Die Geschichte Erik Lindmans, wie sie vor seiner Rückkehr und vor seinem Tod erzählt wurde, war die Geschichte, die alle hören wollten. Der einsame Fanatiker, der sein Land verriet und von den Geheimdiensten enttarnt wurde, ehe er größeren Schaden anrichten konnte. Diese Version finden wir alle faszinierend, gleichzeitig können wir aber auch Zuversicht aus ihr schöpfen. Tristan wurde enttarnt und ist tot.«
Erneut verzog er das Gesicht zu einer gequälten Grimasse.
» Eure Theorie ist dafür umso unangenehmer. Wenn Wijkman oder Terselius schuldig sind, gibt es wahrscheinlich viele, die unwissentlich als Informanten, als nützliche Idioten missbraucht wurden. Nicht nur Laurén. Männer und Frauen, die heute vermutlich den Zenit ihrer Karrieren erreicht haben, Karrieren, die womöglich abrupt enden könnten, wenn ihre Verbindung zu Tristan bekannt würde. Vergiss nicht, dass diese Leute in ihren eigenen Augen unschuldig sind und für ihre Ehre kämpfen werden. Ihr wisst nicht, wie viele von ihnen da draußen herumlaufen. Außerdem denke ich, dass es ein noch größeres Problem gibt.«
Jakub zog seinen Mantel an, erhob sich und sah Meijtens an. Seine Stimme klang plötzlich düster, fast resigniert.
»Das kollektive Selbstbild von Schweden als einem guten und gerechten Land. Von einem Schweden, das neutral zwischen West und Ost und stets auf der Seite der Schwachen steht. Aber wenn Tristan unser Inneres nach außen gekehrt hat, unsere Staatsverwaltung und unsere Neutralitätspolitik … Wenn er – oder sie – unsere Staatsgeheimnisse in das Ohr seiner Auftraggeber geflüstert und seine Kontakte innerhalb der gesellschaftlichen Elite missbraucht hat, um uns heimlich im Interesse einer anderen Macht zu steuern … Wenn Tristan uns in die Suppe gespuckt hat und wir sie gehorsam ausgelöffelt haben … Was sind wir dann? Heißt das womöglich, dass alles, was wir für heilig und wahr gehalten haben, eine Lüge gewesen ist?«
Jakubs Seufzer hallte durch den mittlerweile verwaisten Korridor.
»Diese Geschichte will mit Sicherheit niemand lesen.«
31 Der Aufzug fuhr mit einem leise jaulenden Geräusch in den siebten Stock. Es handelte sich um eines der gelungeneren Gebäude des Baubooms in den Sechzigern. Auf der Fassade gab es weder Spuren von Graffiti noch von mutwilliger Zerstörung. Meijtens hatte darauf bestanden, alleine zu dem Termin zu fahren, ohne eigentlich zu wissen, warum. Vor der Tür blieb er stehen und atmete tief durch. Jetzt überschritt er definitiv die Linie, die Rydman gezogen hatte. Ich kann ja wieder Taxi fahren, dachte er und klingelte.
Es surrte dumpf, und er hörte, wie sich jemand mit schnellen Schritten näherte. Unmittelbar darauf wurde die Tür ohne Vorbehalte oder Vorsicht weit aufgerissen.
»Tobias Meijtens? Herzlich willkommen.«
Olof Salling lächelte breit und nahm Meijtens mit ungelenken Bewegungen den Mantel ab. Das wenige schüttere Haar, das er noch hatte, stand vom Kopf ab. Seine Hose wurde von Trägern gehalten, und seine Füße steckten in Lammfellpantoffeln. Die freundlichen Augen, die hinter dem etwas zu großen Brillengestell hervorblinzelten, zeigten keine Spur von Misstrauen. Meijtens schätzte, dass Olof Salling nur selten diese Art von Gefühlen verspürte.
»Ich habe was auf dem Herd stehen, warten Sie bitte einen Moment.«
Er ging in die Küche, und Meijtens stieg der Geruch von gekochtem Fleisch und roter Bete in die Nase. Auf Sallings Bitten
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