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Ein Freund aus alten Tagen

Ein Freund aus alten Tagen

Titel: Ein Freund aus alten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magnus Montelius
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Er hatte den britischen Soldaten ausfindig gemacht und ihm die Porzellanfiguren wieder abgekauft.
    Sie schaute zum Kaminsims und lächelte.
    »Das war typisch für Henric. Andere Männer wären mit Zigaretten oder Schokolade zurückgekommen, die auf dem Schwarzmarkt jeder kaufen konnte, wenn er nur ein paar Dollar hatte. Aber Henric besaß ein intuitives Verständnis für den Schmerz anderer Menschen. Am erstaunlichsten fand ich, dass er im Gegenzug nichts zu begehren schien, wovon wir damals leider immer ausgingen.«
    Er hatte ihr Essen und Kleider gegeben und sogar dafür gesorgt, dass sie ein kleines Zimmer mieten konnte, war aber stets der perfekte Gentleman geblieben.
    »Er brachte mich sogar zu einem Arzt, wo ich unter anderem Penizillin gegen die beschämenden Krankheiten bekam, die sich so viele von uns jungen Frauen zugezogen hatten. Er fragte mich nie danach, weder damals noch später.«
    Sie hatte nie daran gezweifelt, dass sie ihn liebte, und als er um ihre Hand anhielt, weinte sie still, es erschien ihr überflüssig, überhaupt mit Ja zu antworten. Henric Stiernspetz kehrte auf seinen Posten im Außenministerium in Stockholm zurück, und sie passte sich nach und nach an ein normales Leben in ihrem neuen Heimatland an.
    »Unser erster Außenposten war Rom. Die vier Jahre in Italien waren die schönsten unseres Lebens. Von dort aus ging es nach Madrid und Wien, ehe Henric nach Moskau versetzt wurde.«
    Natalie lehnte sich vor und goss allen vorsichtig und diskret, um die Geschichte nicht zu unterbrechen, Tee nach. Meijtens staunte über ihre Fähigkeit, sich dem Rhythmus und Temperament ihrer Interviewpartnerin chamäleonartig anzupassen. Wenn sie es wollte.
    »Danke, Liebchen, ich glaube fast, dass ich meine Pflichten als Gastgeberin vernachlässige«, sagte Frieda Stiernspetz und trank einen Schluck Tee, ehe sie weitersprach.
    »Das Leben in Moskau war im Grunde gar nicht so übel. Ich persönlich tat mich zwar schwer mit den Russen, aber die Kontakte innerhalb des diplomatischen Korps in Moskau waren anregend, und Henric liebte seine Arbeit. Wir waren glücklich. Bis zu jenem Tag 1973, an dem Henric zum Botschafter gerufen wurde.«
    Im Büro des Botschafters hatte sich ein anderer Mann aufgehalten, ein kleiner Herr vom Staatsschutz, der schon bald die verblüffendsten Fragen gestellt hatte.
    »Henric begriff schnell, dass der Verdacht im Raum stand, es gebe einen hochrangigen Spion. Als er nach Hause kam, war er erschüttert und erregt.«
    »Weil er sich beschuldigt fühlte?«, fragte Meijtens.
    Frieda Stiernspetz sah ihn trotzig an. »Aber nein. Henric ging davon aus, dass man ihn als zuverlässige Informationsquelle befragt hatte, und nicht als Verdächtigen. Er regte sich darüber auf, dass es einen Spion gab und es womöglich jemand war, den er kannte.«
    Man hatte von ihm wissen wollen, wer besonders intensiv mit den Vorbereitungen der Konferenz in Helsinki beschäftigt gewesen war. Es handelte sich um eine Handvoll von Beamten aus dem Außenministerium und anderen Ministerien.
    »Als Henric in Stockholm postiert war, leitete er diese Arbeit, fühlte sich aber schon bald von einer Gruppe politischer Berater innerhalb und außerhalb des Außenamts ausmanövriert. Sie warfen ihm beispielsweise vor, die schwedische Neutralitätspolitik nicht zu begreifen und sich zu einem Sprachrohr der bürgerlichen Opposition zu machen. Jedenfalls war das einer der Gründe, warum er sich auf die Stelle in Moskau beworben hatte. Er wollte weg von all dem. Aber Henric arbeitete auch von der Botschaft aus weiter an den Vorbereitungen.«
    Der Kassettenrekorder lief, und diesmal machte Meijtens sich keine Notizen. Auch Natalie hatte das schwarze Notizbuch in ihrem Schoß nicht angerührt. Als wollte sie sich nicht bewegen, dachte Meijtens. Als wäre Frieda Stiernspetz’ Geschichte genauso zerbrechlich wie die Frau selbst.
    »Er machte sich auch keine Sorgen, als er zu einem Gespräch nach Schweden gerufen wurde, war lediglich geschockt darüber, dass es in seinem Umfeld einen Spion geben sollte. Als er mich anrief, klang seine Stimme ruhig, und er sagte bloß, er habe ihnen alle Informationen gegeben, über die er verfüge, und rechne damit, innerhalb von zwei Tagen nach Moskau zurückzukehren. Am Tag nach unserem Telefonat erschien dann diese Illustrierte.«
    Sie stellte ihre Teetasse zurück, aber diesmal gelang es ihr nicht, dies lautlos zu tun. Das Blatt hieß Schwedenrundschau und hatte nur wenige Jahre überlebt.

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