Ein Freund aus alten Tagen
Job und fällt im Gegenzug nur zu gern die Karriereleiter hoch. Laurén hat nichts Ungewöhnliches oder Ungesetzliches getan, aber die Sache würde natürlich wesentlich pikanter, falls sich herausstellen sollte, dass sein alter Freund ein KGB-Agent ist.«
Lauréns fortgesetzter Einfluss ließ sich auch daran erkennen, welche Posten Terselius und Wijkman bekamen. Die Zusammenhänge waren zwar nicht ganz so eindeutig, aber Jakub hatte in endlosen nächtlichen Gesprächen auf die Verbindungen zwischen ihren Karrieren und dem, was er als Lauréns Einflusssphäre betrachtete, hingewiesen. Eines stand zweifellos fest: Der Mann, der als einer der Hüter von Partei und Land galt, war gleichzeitig unwissentlich Tristans nützlicher Idiot gewesen. Lauréns Kontakt zu Terselius und Wijkman schien nach seiner Scheidung jedoch abgebrochen zu sein.
»Ich glaube nicht, dass wir viel weiterkommen werden«, sagte Natalie schließlich und legte die Zusammenfassungen in die braune Mappe zurück. »Nicht im Helsinki-Archiv.«
Meijtens trommelte mit den Fingern auf dem Tisch. »Sie können beide Tristan sein.«
Jakub hatte gesagt, man müsse sich die Reifenprofile ansehen, das heißt ihren Karrieren nachspüren und schauen, welche Abdrücke sie hinterlassen hatten. Die Spuren waren deutlich, führten aber in eine Sackgasse. Es brauchte mehr als ein paar auffällige Zusammenhänge im Archiv, unterstützt von Sallings alkoholmarinierten Erinnerungen. Wäre es nur um ihn selbst und seine eigene unsichere Zukunft bei der Zeitung gegangen, hätte Meijtens sich durchaus vorstellen können, sich über Rydmans Verbot hinwegzusetzen und die Konsequenzen zu tragen. Doch so lagen die Dinge, wie sie nun einmal lagen.
Natalie teilte seine Begeisterung über den geheimen Bericht nicht und schüttelte jedes Mal den Kopf, wenn er darauf zurückkam.
»Von solchen Quellen halte ich nicht viel.«
Er rief sich in Erinnerung, was er über die Affäre gelesen hatte, die Natalies Fernsehkarriere beendete. Dass es eine anonyme Quelle gegeben hatte, die nicht namentlich genannt werden wollte. Oder vielleicht auch nicht namentlich genannt werden konnte?
»Wenn diese Quelle sich nicht meldet, müssen wir eben auf eine andere Art nachweisen, dass die Dokumente echt sind«, sagte er, gab einen großen Klecks Chilipickles auf einen Happen Naan-Brot, den er sich in den Mund steckte, und schloss genießerisch die Augen.
Natalie musterte ihn mit einem amüsierten Funkeln in den Augen und nahm sich die letzten Reste vom frittierten Blumenkohl.
»Und du bist ein richtiger Pianist?« Anscheinend wollte sie das Thema wechseln.
»Ich hätte vielleicht einer werden können.«
»Wie meinst du das?«
»Mir hat etwas gefehlt.«
»Was? Talent? Geduld?«
Meijtens zuckte mit den Schultern und füllte sein Glas.
»Ein Klavier?«
Er lachte, trank einen Schluck Bier und lehnte sich zurück. Vielleicht lag es am Alkohol, vielleicht auch an ihren dunklen Augen und der plötzlichen Aufmerksamkeit. Jedenfalls erzählte er ihr die ganze Geschichte. Er begann mit Madame Esterházy, der cholerischen Klavierlehrerin seiner Kindheit. Die mit ihrer Forderung, zu üben und sich zu konzentrieren, bei dem etwas verträumten Jungen, der in jeder anderen Hinsicht als faul und träge galt, paradoxerweise den richtigen Ton getroffen hatte.
» Madame Esterházy?«
»Sie bestand darauf, ich habe sie niemals anders genannt.«
Während sonst keiner etwas von ihm forderte und alles unverbindlich blieb, waren die Stunden bei Madame Esterházy ein fester Punkt, und ihre Kompromisslosigkeit wie ein harter Stuhl gewesen, von dem man wusste, dass er gut für den Rücken war, und den man mit der Zeit schätzen lernte. Sie akzeptierte keine Entschuldigungen, pries Disziplin als Lebensform und konnte sich nur vorstellen, eine bestimmte Sorte Tee zu trinken.
Natalie schien etwas fragen zu wollen, überlegte es sich dann aber anders und gab ihm zu verstehen, dass er weitersprechen solle.
Wenn er einmal vergessen hatte zu üben, schimpfte sie nie. Stattdessen setzte sie sich neben ihn und erzählte ihm Geschichten aus ihrer Jugend in Budapest. Dort hatte sie ihr Studium an der Akademie abbrechen müssen, da man der Meinung war, ihre Familie gehöre zur alten Bourgeoisie. Dort hatte sie in Restaurants gespielt, um über die Runden zu kommen und weil man ihr versprach, dass sie in den Morgenstunden würde üben dürfen. Kommunismus oder nicht, ich übte meine sechs Stunden am Tag.
»Ich vergaß
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