Ein Freund aus alten Tagen
mit den Schriftstücken dieses Mannes in Meijtens’ Kopf widerhallte.
In seiner Einschätzung von Salmqvists politischer Heimat hatte Jakub offensichtlich recht gehabt. Als Staatssekretär im Industrieministerium war er intensiv mit dem Thema Schutz gegen Industriespionage beschäftigt gewesen. Zur selben Zeit hatte er allem Anschein nach persönliche und politische Verbindungen zu einigen der Männer unterhalten, die später als verantwortlich für die Registrierung linker politischer Abweichler und die geheime Beobachtung schwedischer Staatsbürger entlarvt wurden, die Partei und Militär betrieben hatten.
Jakubs Theorie zufolge hatte ihn dies nicht daran gehindert, die Karrieren von Carl Wijkman und Sonia Terselius zu fördern. Doch selbst wenn das zutreffen mochte, so hatte es jedenfalls keine Spuren in Salmqvists persönlicher Korrespondenz hinterlassen, denn darin wurden die beiden nirgends erwähnt.
Dabei war das Archiv voller Kopien von Empfehlungsschreiben, die Salmqvist aufgesetzt hatte. Der Mann war geradezu davon besessen gewesen, seinen Einfluss bei der Besetzung von Stellen geltend zu machen, und hatte sich auch nie gescheut, seine Schützlinge später daran zu erinnern, wenn er sie brauchte. Nach einem ganzen Tag mit den Dokumenten dieses Politikers war Meijtens ein wenig übel, und er fragte sich, wie er sich dazu überwinden sollte, eine weitere Dokumentenmappe zu öffnen.
Dann fiel sein Blick auf den Brief. Er hatte das Archiv in umgekehrter chronologischer Reihenfolge durchkämmt, also bei den jüngsten Dokumenten begonnen, weshalb es den ganzen Tag gedauert hatte, bis er ihn gefunden hatte. Das Schreiben war auf September 1963 datiert und an den damaligen Ministerialdirektor im Verteidigungsministerium gerichtet. Während Meijtens es überflog, spürte er wie in einem Traum, dass sein Herz schneller schlug. Er zwang sich, tief durchzuatmen und den Brief noch einmal zu lesen, diesmal langsam. Kein Zweifel: Sie hatten die ganze Zeit falschgelegen.
Lieber Freund,
lass mich einleitend erzählen, dass ich in London das Vergnügen hatte, Deinen Sohn zu treffen. Er scheint sich in der Botschaft gut eingelebt zu haben. Botschafter Gunnarsson, mein alter Freund, erwähnte im Vertrauen, dass er sich entschlossen habe, meiner Empfehlung zu vertrauen, obwohl mehrere andere Bewerber bessere formale Qualifikationen gehabt hätten, und dass er keine Veranlassung sehe, diesen Entschluss zu bereuen. Es freut mich, dass ich in aller Bescheidenheit meinen Beitrag dazu leisten konnte, einem talentierten jungen Mann eine helfende Hand zu reichen.
Ich schreibe Dir heute in einer ganz ähnlichen Angelegenheit und möchte Dich bitten, auch diese mit einer gewissen Diskretion zu behandeln. Vor zwei Jahren traf ich in der sozialdemokratischen Studentenvereinigung an der Wirtschaftshochschule einen vielversprechenden jungen Mann namens Peter Laurén. Ich lernte in ihm einen fähigen Jungen kennen, wenngleich vielleicht ein wenig zurückhaltend und schüchtern. Nach seinem Examen bewarb er sich im Außenministerium für die Ausbildung zum diplomatischen Dienst, wurde aber bereits in den ersten Runden aussortiert. Ich unternahm gewisse, leider vergebliche Anstrengungen, ihm durch dieses archaische Auswahlverfahren zu helfen. Wie du weißt, versuche ich bereits seit geraumer Zeit, meinen geringen Einfluss geltend zu machen, damit das Außenamt künftig einer breiteren Auswahl von Bewerbern Zugang gewährt, und nicht zuletzt, um den tüchtigen Mitgliedern in der Jugendorganisation unserer Partei eine Chance zu geben.
Laurén war natürlich enttäuscht, fasste jedoch den vernünftigen Entschluss, ein Jahr lang ergänzende Studien in Französisch und Staatswissenschaft an der Universität Uppsala zu betreiben, um sich so für das Auswahlverfahren im nächsten Jahr vorzubereiten.
Als ich ihn kürzlich wiedersah, konnte ich feststellen, dass das vergangene Jahr ihm gutgetan hat. Durch seine oben erwähnten Studien hat er nicht nur sein wirtschaftswissenschaftliches Wissen vergrößert, er scheint auch einen Gutteil seiner früheren Verzagtheit und seines etwas schüchternen Auftretens überwunden zu haben. (Als ich eine entsprechende Andeutung machte, gab er eine gewisse persönliche Veränderung zu und meinte, das habe er seinen neuen Freunden in Uppsala zu verdanken.)
Zu meinem Verdruss war der Grund für seinen Besuch, dass er erneut in einer frühen Phase des Auswahlverfahrens für die Attachéausbildung aussortiert
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