Ein Freund aus alten Tagen
fortzusetzen.«
Ihre Augen leuchteten auf. »Das war irgendwie typisch für Erik.« Dann lachte sie. »Calle sagte immer, aus Peter hätten sie innerhalb von achtundvierzig Stunden einen waschechten Marxisten gemacht. Und ich glaube, damit hatte er recht. Ob es nun an Eriks Brillanz, an Calles Charme oder an Sonias Schönheit lag, will ich mal offenlassen. Wahrscheinlich an der Kombination, aber wenn Sie mich fragen, vor allem an Letzterem.«
Natalie hob fragend die Augenbrauen, aber Rebecka Wester lachte nur. »Wissen Sie, in politischen Dingen war ich vielleicht nicht so bewandert wie die anderen. Genauer gesagt, ich hatte keinen blassen Schimmer von Politik. Aber ich glaube, bei Menschen kenne ich mich ein wenig aus, und es fiel mir niemals schwer, den guten Peter zu verstehen. Immerhin hat man in seinem Leben die eine oder andere Prüfung im Fach Psychologie abgelegt.«
Natalie lachte mit. Sie musste sich eingestehen, dass sie größten Respekt vor der Intuition dieser Frau hatte.
»Für mich war er immer das typische Einzelkind. Stets bemüht, gut zu sein und es allen recht zu machen, aber hoffnungslos unbeholfen im Umgang mit anderen Menschen. Ich denke, mehr als alles andere sehnte er sich danach dazuzugehören, der Teil einer Gruppe zu sein.«
Sie nahm einen tiefen Lungenzug.
»Am Anfang war es fast rührend. Er versuchte ihnen nachzueifern, so gut es eben ging. Wollte so gern die richtigen Sachen sagen, aber ihm fehlten dieses Feuer und Charisma, das die anderen besaßen. Er hatte sich nicht aufgelehnt wie Calle und Sonia oder sich durchgeboxt wie Erik. Peter war im Grunde seines Herzens immer noch ein kleinkarierter, rechter Sozi, der Sohn eines Supermarktfilialleiters aus dem kleinen Provinzstädtchen Mariefred. Aber er gab sich wirklich größte Mühe.«
»Inwiefern?«
»Wissen Sie, ich glaube, er tat, was er in seinem Leben immer schon getan hatte: Er setzte sich das Ziel, Klassenbester zu werden. Er würde niemals so bissig wie Calle oder so inspirierend wie Erik und erst recht nicht so dominant wie Sonia sein. Also büffelte er, pflügte sich durch die gesamte Literatur, die sie ihm in die Hände drückten, und schien alles auswendig zu lernen, was sie sagten. Meistens klang es bei ihm ein bisschen falsch, und wenn viele Leute da waren, machte er sich am liebsten unsichtbar. Ich hatte Mitleid mit ihm, jedenfalls zu Anfang.«
Plötzlich machte sie eine Pause in ihrem Wortschwall und richtete sich im Sitzen auf. »Ich habe ihm beigebracht, wie man Walzer tanzt. Darauf bin ich ein bisschen stolz, denn das war weiß Gott ein hartes Stück Arbeit. Der arme Kerl hatte fünf Füße und keinerlei Rhythmusgefühl.«
Sie lachten beide.
»Sie haben vorhin angedeutet, dass Laurén … wie soll ich mich ausdrücken …«
»Verrückt nach Sonia war? Vom ersten Tag an, darauf können Sie Gift nehmen.«
Es war kein schönes Bild von der hoffnungslos unglücklichen Liebe eines jungen Mannes, das Rebecka Wester skizzierte, aber in ihrer Stimme schwang Mitleid, fast Wärme mit. Er hatte Sonia bewundernd angesehen, wenn sie redete, und war rot geworden, sobald sie ihn direkt ansprach. Ihre Wünsche wurden zu seinen Ansichten und ihre Ansichten zu seinen Kreuzzügen.
»Was sagten denn die anderen dazu?«
»Erik merkte es bestimmt gar nicht, oder es war ihm egal. Der arme Peter war nun wirklich keine Bedrohung, denn wenn Erik nicht verschwunden wäre, hätte Sonia ihn nie auch nur eines Blickes gewürdigt. Sonia merkte es natürlich, wir Frauen sind in solchen Dingen ja, wie Sie wissen, empfänglicher. Aber sie ließ sich nichts anmerken, behandelte ihn freundlich, aber ein bisschen herablassend.«
Sie lachte betrunken. »Ich habe es natürlich Calle gesagt, immer wieder. Und er wurde jedes Mal wütend. Es passte einfach nicht in Calles Bild von ihrem Leben in Arkadien, von der brillanten Vorhut der Revolution, dass jemand in die Freundin eines anderen Genossen verschossen war.«
Rebecka Wester schnaubte. »Wie alle großen Casanovas war Calle letzten Endes ein fürchterlicher Moralist.«
Natalie hatte im Grunde nur eine Frage, eine alles entscheidende Frage. Es entstand eine Pause in Rebecka Westers Erzählung, und Natalie befeuchtete langsam ihre Lippen. Dann fragte sie mit fast teilnahmsloser Stimme: »War Laurén damals eigentlich auch mit von der Partie, als sie im letzten Semester alle verreisten?«
Rebecka Wester zupfte etwas von ihrer Zungenspitze und antwortete, den Blick auf die Tür
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