Ein Freund aus alten Tagen
worden war. Er war deshalb verständlicherweise am Boden zerstört, bat mich aber dennoch, ein wachsames Auge auf einen seiner neuen Freunde zu haben, dem es gelungen war, in die nächste Runde des Verfahrens vorzudringen, und der Laurén zufolge ein großes Talent aus einfacheren Verhältnissen ist. Ich fand dies sehr großherzig von ihm und werde seinem Wunsch selbstverständlich nach Kräften nachkommen.
Was Laurén selbst betrifft, so betrachte ich es als meine Pflicht, ihm bei seiner weiteren Suche nach einer Position beizustehen, die seinen Qualifikationen entspricht. Er hat seinen großen Wunsch zum Ausdruck gebracht, eine Stelle im Staatsdienst zu finden. Ich schlug angesichts seiner Ausbildung das Finanzministerium vor, aber er äußerte von sich aus eine größere Begeisterung für das Verteidigungsministerium.
Das erscheint mir bei näherem Nachdenken ausgesprochen logisch: Laurén ist ein Jungsozialist der zuverlässigen Art und hat seine Wehrpflicht auf einem der Geheimhaltung unterliegenden Posten beim Generalstab abgeleistet. Er verfügt deshalb über gewisse Kenntnisse auf diesem Gebiet, und du brauchst dir wegen des Sicherheitsaspekts keine Sorgen zu machen.
Ich hoffe, du kannst in deinem Ministerium eine passende Stelle für ihn finden, und lege die Zeugnisse des jungen Mannes bei.
Dein ergebener
Richard Salmqvist
Als Meijtens den Brief gelesen hatte, griff er nach seinem Ordner, der neben Notizen auch Kopien von Informationen aus dem schwedischen Wer ist wer enthielt:
Laurén, Peter, geboren am 5. 12. 1937 in Mariefred, Abschluss in Wirtsch.wiss. 1962, angest. im Verteidigungsministerium 196…968, Sachverst. in der Regierungskanzlei 196…970, Außenministerium 197…976.
Die Beschreibung schilderte in Abkürzungen und Jahreszahlen eine schnurgerade Karriere in Richtung Macht. Nirgendwo wurde jedoch das Jahr erwähnt, das er in Uppsala verbracht hatte, um Französisch zu studieren und seine Wunden zu lecken.
Ein Jahr, in dem sich Peter Laurén von einem verzagten und schüchternen jungen Mann in etwas ganz anderes verwandelt hatte. Das habe er seinen neuen Freunden in Uppsala zu verdanken . Ein Jahr, zu dessen Erwähnung er sich niemals veranlasst gefühlt hatte.
Ich muss Natalie erreichen, dachte Meijtens.
Natalie hatte minutenlang nichts gesagt, sondern Rebecka Westers Geschichte gelauscht, als hätte es ihr die Sprache verschlagen. Um sie herum plauderten Gruppen durstiger Golfer, deren bunte Kleidung einen schwammigen Hintergrund bildete, der um sie herumzurotieren schien. Während sie zuhörte, dachte sie an diese Lüge. Die Lüge, deren Existenz sie immer vermutet hatte, ohne sie finden zu können. Etwas von all dem, was ihnen gesagt worden war, hatte sie in die Irre geführt. Sie war klein gewesen, eher ein Umgehen der Wahrheit als eine Lüge im eigentlichen Wortsinn.
Und es war nicht Tristan gewesen, der gelogen hatte. Natalie fragte sich, ob sie ausgesprochen worden war, um sich von Tristan zu distanzieren oder um ihn zu schützen. Um die Verbindung zwischen Sorokins Anschuldigungen und dem Schuldigen zu verbergen. Um ihn außerhalb der Ereignisse zu platzieren, die Erik Lindmans Verschwinden umgaben. Eine letzte Geste der Loyalität jenem Mann gegenüber, der sie hintergangen hatte, der sie benutzt und ihren Verlobten in Hoxhas Gefängnisse befördert hatte. Natalie erinnerte sich noch, wie sie es gesagt hatte, fast beiläufig. Ein Nebensatz, dessen unausgesprochene Bedeutung war, dass er nicht dabei gewesen war, nicht Tristan sein konnte. Es muss der Tonfall in ihrer Stimme gewesen sein, dachte Natalie, ein falscher Klang, der in meinem Unterbewusstsein abgespeichert wurde. Ein paar Jahre später lernte ich den Mann kennen, den ich dann heiraten sollte.
Rebecka Wester zündete sich eine Zigarette an und sprach weiter. »Erik gabelte ihn bei irgendeiner Debatte in der Studentenschaft auf. Peter war gerade nach Uppsala gekommen, um ein weiteres Jahr zu studieren, nachdem er irgendeine Aufnahmeprüfung nicht geschafft hatte. Einsam und ein wenig verloren, versuchte er wahrscheinlich zu zeigen, was er auf dem Kasten hatte. Also meldete er sich zu Wort und erklärte, warum Schweden die DDR nicht anerkennen sollte. Peter war damals eine Art rechter Sozi. Aber Erik sah bei ihm noch etwas anderes. Nachdem er ihn in der Debatte in Grund und Boden geredet hatte, nahm er ihn zu den anderen mit, um die Diskussion beim üblichen Abendessen aus Wein, Käse und Gebäck
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