Ein Freund aus alten Tagen
schließlich, und Shalas Antwort bestand aus einem weiteren zweideutigen Schulterzucken. Er zog lange an seiner Zigarette und sah weg.
»Haben Sie Zigaretten?«, fragte er.
»Nein, tut mir leid.«
Schließlich beschloss Meijtens zu gehen, obwohl die Kopie des Passes das Einzige war, was ihm der Besuch eingebracht hatte. Während er auf den Ausgang zuging, hörte er Shala hinter sich rufen. Meijtens drehte sich um und sah, dass der Mann im Laufschritt auf ihn zueilte.
»Sie müssen mir helfen, einen guten Rechtsanwalt zu finden. Die Anwältin, die man mir gegeben hat, taugt nichts. Junge Frau, hat keine Ahnung. Sie werden mich zu den Italienern schicken oder nach Albanien.« Er schüttelte den Kopf. »Das geht einfach nicht. Helfen Sie mir, und ich gebe Ihnen Informationen über Bektashi, okay? Ich weiß nur ein bisschen, aber ich kenne jemanden, der mehr weiß. Wenn ich sage, dass es okay ist, wird er mit Ihnen sprechen, sonst nicht. Sie müssen mir vorher helfen.«
Seine Art hatte sich verändert. Jetzt war er engagiert und bemüht. »Ich brauche einen Anwalt. Ich kann nicht nach Italien ausreisen.«
Meijtens fragte sich, ob an seiner Behauptung wirklich etwas dran war.
»Mal schauen«, erwiderte er. »Sie haben meine Nummer, falls Sie mir noch etwas erzählen wollen. Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann.«
Er wandte sich um und ging Richtung Ausgang.
»I huaj«, sagte Shala.
Meijtens drehte sich um.
» I huaj . So haben wir ihn genannt. In Albanien ist es nicht wie hier im Westen. Es gibt nicht so viele Nachrichten, nur ein paar Parteifunktionäre stehen in den Zeitungen. Aber wir haben Gerüchte und Klatsch, und zwar jede Menge. Die Menschen reden und spekulieren. So viel sie sich trauen. Er war kein großer Promi, kein offizieller Funktionär. Aber man kannte ihn, man wusste, wer er war. Wusste, dass er früher Macht hatte. Er wurde i huaj genannt.«
Meijtens sah ihn fragend an, zog sein Notizbuch heraus und versuchte, es zu buchstabieren. Shala berichtigte ein paar Buchstaben.
» I huaj , das bedeutet, wie sagt ihr … Ausländer.«
»Ausländer?«
»Ja, genau, Ausländer. Er wurde der Ausländer genannt.«
Shefqet Shala drehte sich um und ging mit schnellen Schritten zu den anderen zurück. Offenbar hatte er beschlossen, dass dies das Maximum an Gratisinformationen war, die er Meijtens zur Verfügung stellen wollte.
Als Meijtens in die Redaktion zurückkehrte, zog er die Kopie des Passes heraus. Aron Bektashi war, wie er bereits wusste, am 11. April 1938 in Tirana geboren. Das Passbild war eine Schwarz-Weiß-Aufnahme minderer Qualität. Der Mann hatte offenbar helles Haar, aber es war schwer zu sagen, ob es grau oder blond war. Auch die Augen waren hell, im Pass war als Augenfarbe blau angegeben. Seine Haut war zerfurcht. Ein Mann, der früher im Westen gelebt hatte. Meijtens dachte daran, wie Shala ihn genannt hatte: den Ausländer. Jemand, der einmal zur Machtelite gehört hatte.
Daheim in Skopje halten wir nicht viel von Albanern, hatte Elena gesagt, aber der hier war vielleicht auch kein gewöhnlicher Albaner.
Als er Tilas erreichte, klang der Kriminalinspektor wachsam. »Und, Meijtens, was haben Sie zu berichten?«
»Ich habe ein paar interessante Informationen über Aron Bektashi erhalten und wollte nur kurz wissen, ob sie mit Ihren übereinstimmen«, erklärte Meijtens.
»So, so.«
»Ich habe gewisse Informationen bekommen, die darauf hindeuten, dass Bektashi vor seiner Verhaftung eine einflussreiche Person in Albanien war. Möglicherweise ein Diplomat oder Funktionär, der früher im Westen stationiert war.«
Am anderen Ende der Leitung herrschte vollkommene Stille.
»Liegen Ihnen ähnliche Informationen vor?«, fuhr Meijtens fort.
»Nicht direkt. Wo haben Sie das her?«
»Exilalbanische Kreise.« Aus irgendeinem Grund, den er selbst nicht ganz verstand, wollte er seinen Besuch in Vilanda und sein Gespräch mit Shefqet Shala nicht erwähnen.
»Exilalbaner, gibt es so etwas?« Tilas klang skeptisch. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Gibt es noch etwas, was Sie mir erzählen wollen?«
Meijtens verneinte.
»Wenn das so ist, habe ich jetzt keine Zeit mehr für Sie«, bemerkte Tilas trocken. »Wir haben nichts gefunden, was auf ein Verbrechen hindeuten würde, jedenfalls nicht in Schweden.«
Meijtens glaubte, dass ihr Gespräch damit beendet war, aber Tilas überraschte ihn.
»Sie sollten Ihren Exilalbanern vielleicht nicht allzu viel Bedeutung zumessen. Vor einer
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