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Ein Freund aus alten Tagen

Ein Freund aus alten Tagen

Titel: Ein Freund aus alten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magnus Montelius
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sprechen.«
    Jakub holte tief Luft, wozu er nicht gekommen war, seit er gemerkt hatte, dass er ins Fettnäpfchen getreten war. »Über einen Artikel?«
    »Das weiß ich noch nicht. Mein Chef würde sicher sagen, dass die Sache nichts mit Nachrichtenjournalismus zu tun habe, und wahrscheinlich wird in unserem Magazin nie ein Artikel dazu erscheinen, aber ich muss da einfach etwas begreifen.«
    »Was musst du begreifen, Tobias?«
    »Ich muss begreifen, warum ein Mann aus Albanien nach Schweden kommt und in weniger als achtundvierzig Stunden verunglückt oder sich das Leben nimmt.«
    Jakub Bem lehnte sich zurück, die Hände auf dem Bauch gefaltet. Meijtens erzählte von Aron Bektashi: seinem Pass, den unterschiedlichen Füllungen in den Zähnen und den Spuren, die die Folter hinterlassen hatte. Von dem Interview mit Shefqet Shala und den albanischen Behörden, die die Existenz eines Aron Bektashi leugneten. Als Meijtens fertig war, schwiegen sie eine Weile. Jakub blickte in seine Kaffeetasse.
    »Ich muss sagen, das ist wirklich eine interessante Sammlung von Fakten, die du da zusammengetragen hast«, sagte er nachdenklich.
    »Mein Chef bezweifelt, dass die Sache einen Nachrichtenwert besitzt, aber ich will es trotzdem wissen.«
    »Ich glaube, dein Chef könnte sich irren.«
    »Wie deutest du Shefqet Shalas Kommentar über Bektashi als i huaj , den Ausländer?«
    »Nun, wenn man die völlige Isolation Albaniens in den letzten Jahrzehnten bedenkt, könnte ein Mann, der viele Jahre im Westen verbringt und dann zurückkehrt, mit Sicherheit i huaj genannt werden. Außerdem sollten wir kein allzu großes Vertrauen in Herrn Shefqet Shala mit den Visumsproblemen setzen. Dagegen gibt es da ein paar andere Dinge, die mir wirklich bemerkenswert erscheinen.«
    Er machte eine längere rhetorische Pause. Meijtens kannte Jakubs kleine Manierismen und musste innerlich grinsen.
    »Ehrlich gesagt, habe ich die Entwicklung in Albanien in den letzten Monaten recht aufmerksam verfolgt. Sie ist nicht ohne Interesse für mich als Forscher und als Mensch. Die Veränderungen sind noch nicht so weit gediehen wie in den ehemals sowjetisch kontrollierten Ostblockstaaten. Bei Weitem nicht. Albanien ist immer noch ein kommunistisches Land. Man hat ein paar politische Gefangene entlassen, das ist wahr. Außerdem gibt es eine gewisse, aber nach wie vor eingeschränkte Pressefreiheit.«
    Jakub setzte schon zu einem Exkurs über die Pressefreiheit in Osteuropa an, hielt zu Meijtens’ Erleichterung jedoch inne und kehrte zu seinen Kommentaren über Albanien zurück.
    »Bislang haben nur wenige Menschen das Land verlassen können. Die meisten von ihnen haben sich nach Italien begeben, einem Land, zu dem historische Verbindungen bestehen. Und nicht nach Schweden, was dein Besuch im Asylbewerberheim bestätigt. Ganze fünf Albaner, unser Mann Bektashi eingeschlossen. Und zumindest einer ist dort gelandet, nachdem er sein Glück zuvor in anderen Ländern versucht hatte. Die anderen könnten wahrscheinlich ähnliche Geschichten erzählen.«
    Meijtens versuchte, eine Frage einzuwerfen, aber Jakub erhob die Stimme und sprach weiter.
    »Für Bektashi galt das jedoch nicht. Er hat sich direkt nach Schweden begeben. Nicht nur das, schon am nächsten Tag fuhr er schnurstracks nach Stockholm – ohne den Mitarbeitern der Unterkunft etwas davon zu sagen. Nichts deutet auf irgendwelche Kontakte hin, es gibt keine Schwester im Exil oder so, die sich gemeldet hätte, nicht wahr? Er kann noch nicht viele Stunden in Stockholm gewesen sein, als er aus irgendeinem Grund im Park der Diakonie Ersta landet, einem Ort, der trotz seiner schönen Aussicht gänzlich unbekannt sogar vielen Stockholmern ist.«
    Jakub sprach inzwischen schneller, und aufgrund seiner fehlerhaften schwedischen Syntax fiel es schwer, Schritt zu halten. Er trank einen Schluck Kaffee und fuhr fort.
    »Warum? Warum blieb er nicht und spielte mit den anderen Albanern Canasta? Ein Mann, der auf der Flucht ist, fährt nicht irgendwohin, nur um die Aussicht zu genießen. Ich kann dir erzählen aus eigener Erfahrung«, sprach Jakub mit leiserer Stimme weiter, »wenn ein Mann aus dem Gefängnis entlassen wird, ist sein erster Gedanke, sich in Sicherheit zu bringen. Anschließend, sich Essen und Zigaretten zu besorgen, seine Frau zu sehen. Oder einfach eine Frau. Jedenfalls bestimmt nicht, Sightseeing zu machen. Irgendetwas hat ihn offenbar dazu gebracht, sich so schnell wie möglich nach Stockholm zu begeben,

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