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Ein Freund aus alten Tagen

Ein Freund aus alten Tagen

Titel: Ein Freund aus alten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magnus Montelius
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und zwar, ohne jemandem davon zu erzählen. Das ist das Eigenartigste an diesem Bektashi.«
    Also bin ich doch nicht völlig auf dem Holzweg, dachte Meijtens.
    »Und was könnte ihn deiner Meinung nach dazu gebracht haben, nach Stockholm zu fahren?«
    »So wie ich es sehe, muss die Erklärung lauten, dass er eine Verbindung zu Schweden hat. Wenn es kein Verwandter oder Bekannter ist, muss es etwas anderes sein.«
    Es war schon nach acht, und in dem Café an der Universitätsbibliothek war Stille eingekehrt. Nur ein paar hohläugige Studenten der Technischen Hochschule saßen noch zusammen und diskutierten darüber, was in der Prüfung in Thermodynamik vorkommen könnte. Jakub Bem lehnte sich zurück und schaute sich um. Vielleicht wollte er sich vergewissern, dass sie ungestört reden konnten.
    »Am wahrscheinlichsten scheint mir zu sein, dass er ein albanischer Funktionär mit einer Vergangenheit in Schweden ist. Von der Sorte kann es nicht sehr viele geben. Ich würde schätzen, dass es sich um eine Person mit irgendeiner Form von diplomatischem Status handelt: ein Botschaftsangehöriger oder ein Mitglied einer offiziellen Delegation. Dann ist er beim Außenministerium unter einem Namen registriert, der nicht unbedingt Aron Bektashi sein muss«, ergänzte Jakub mit einem schiefen Lächeln.
    Er lehnte sich zurück, als wollte er Meijtens Zeit geben, mit seinen Notizen hinterherzukommen.
    »Es gibt noch einen anderen Umstand, der dafür spricht, dass Aron Bektashi seine eigentliche Geschichte verbirgt«, fuhr Jakub fort. »Aron Bektashi besaß nicht nur einen Pass, was an sich schon ein kleines Wunder ist. Hinzu kommt, dass die albanischen Behörden seine Identität komplett leugnen, und das erstaunt mich nun wirklich.«
    »Und warum? Willst du etwa sagen, dass er nicht Aron Bektashi heißt, dass er falsche Papiere benutzt hat?«
    »Nicht unbedingt. So könnte es natürlich auch sein, aber ich glaube eher an etwas anderes.«
    »Meinst du, er ist ein Dissident?«
    »Nicht nur das. Ich war, wie du weißt, früher eine persona non grata in dem Land, das eigentlich mein Heimatland sein sollte. Aber wenn jemand vor dem Fall des Kommunismus offiziell die tschechoslowakischen Behörden kontaktiert hätte, um sich zu erkundigen, ob ein gewisser Jakub Bem früher einmal dort gemeldet gewesen sei, hätten sie mit Ja geantwortet. Sie hätten geantwortet, dass er ein Verbrecher, ein Konterrevolutionär, ein imperialistischer Lakai war und … nun ja, das weißt du ja alles. Aber sie hätten meine Existenz niemals geleugnet. Weißt du, warum?«
    Jakub wirkte auf einmal sehr ernst und sprach mit gesenkter Stimme weiter. »Weil ich eine unbedeutende Person war, so unbedeutend, dass es keinen Grund gab, meine Existenz zu leugnen. Ich denke, bei Aron Bektashi sieht die Sache ganz anders aus. Ich glaube, dass Aron Bektashi für Albanien in irgendeiner Weise von Bedeutung war. Ich habe kein klares Bild davon, was hinter dieser Geschichte stecken könnte, aber es würde mich sehr wundern, wenn es um etwas Triviales ginge.«
    Sie verließen die Universität und machten sich auf den Heimweg. Als sie zu Meijtens’ Fahrrad kamen, begann es zu nieseln.
    »Morgen werde ich sehen, was ich über albanische Diplomaten herausfinden kann«, sagte Meijtens. »Immerhin habe ich ein Foto. Auch wenn er einen anderen Namen benutzt hat, sollte ich ihn auftreiben können.«
    Jakub nickte geistesabwesend. »Vielleicht war er hier, um Kontakt zu linken proalbanischen Gruppierungen zu halten. Davon gab es in den Sechziger- und Siebzigerjahren einige.« Er nannte Meijtens zwei Namen.
    »Schatten aus einer Vergangenheit voller Irrtümer«, ergänzte Jakub mit einem traurigen Lächeln. Anschließend drehte er sich mit einem Kopfnicken um und ging mit federnden Schritten durch den Regen zum U-Bahnhof.

11 Eigentlich hatte Tilas keinen Grund, Überstunden zu machen. In Stockholm wurde zwar in einigen Mordfällen ermittelt, aber er war an keiner dieser Ermittlungen beteiligt. Nicht nach dem, was im Frühjahr passiert war. Seither war er ihr Gefangener. Ein Objekt für faselnde Therapeuten, Schnüffler aus der Personalabteilung und herablassend lächelnde Gesichter. Wäre es vor zwanzig Jahren passiert, hätte er sich eine Standpauke anhören müssen und wäre eine Weile suspendiert worden, und damit wäre die Sache erledigt gewesen. Aber im Zeitalter der neuen, alles erstickenden Fürsorge kam man niemals frei.
    Mordermittlungen waren völlig ausgeschlossen,

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