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Ein Freund aus alten Tagen

Ein Freund aus alten Tagen

Titel: Ein Freund aus alten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magnus Montelius
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Massenaufruhrs. Die Gruppe um Erik Lindman bildete vielmehr einen exklusiven, fast elitären Verbund von Studenten, die ihre marxistischen Überzeugungen mit einem erfolgreichen Studium und wohlerzogenem Verhalten kombinierten. Außer Erik stammten fast alle von ihnen aus gutbürgerlichem Haus, und anders als die nächste Generation linker Studenten taten sie nichts, um ihre Abstammung zu verbergen.
    Åke Sundström blickte auf einen vorbeifahrenden Zug hinunter und wirkte auf einmal nachdenklich, fast gequält.
    »Im Grunde war es nicht weiter verwunderlich, dass wir uns in Uppsala aus den Augen verloren«, sagte er leise. »Erik hatte ja seine Clique mit dem Diplomatensohn und der Tochter des Herrn Direktor und ihrem flammenden Engagement für die Proletarier aller Länder. Ich war weder an so etwas interessiert, noch wurde ich eingeladen, mich ihnen anzuschließen.«
    Ohne den Blick von den Gleisen abzuwenden, sprach er weiter. »Ich werde ehrlich zu Ihnen sein. Sie haben mich gefragt, was er dachte und wie seine Gemütsverfassung war, als er abhaute. Aber ich bin eigentlich nicht der Richtige, um Ihnen das zu beantworten. Wir waren bereits in Uppsala getrennte Wege gegangen, und als wir nach Stockholm zogen, verstärkte sich das. Es lag wohl in erster Linie an mir, ich tat mich schwer mit seinen Freunden und seiner Politik.«
    »Aber wenn Sie sich so auseinandergelebt hatten, warum sind Sie dann überall interviewt worden, und warum waren Sie anscheinend der Einzige, mit dem er sprach, bevor er fortging?«
    Åke Sundström spuckte auf die Erde.
    »Ach, wissen Sie, als plötzlich die Hölle los war in der Presse und einen nachts irgendwelche Vertreter des Staatsschutzes anriefen, da steckten seine salonbolschewistischen Freunde den Kopf so tief in den Sand, dass nur noch die Schwanzfedern herausschauten. Ich war damals vermutlich der Einzige, der zugab, ihn zu kennen. Und ob ich der Einzige war, der wusste, dass er abgehauen war, das weiß der Himmel.«
    Åke Sundström sprach schnell und mit Gesten, die eher für ein unsichtbares Publikum als für Meijtens bestimmt zu sein schienen.
    »So ist das vermutlich bei alten Freunden. Wir hatten unsere gemeinsame Kindheit und Jugend und unsere alte Freundschaft. Dann geht man getrennte Wege, und das ist natürlich auch in Ordnung. Nicht der Rede wert. Obwohl wir ja diesen Riesenkrach hatten.«
    »Sie haben sich gestritten?«
    »Ich war so wütend auf ihn. Es war doch völlig absurd und komplett unnötig, sein Talent so zu vergeuden. Egozentrisch, wenn Sie mich fragen.«
    »Sie meinen, als er fortging?«
    Åke Sundströms plötzliche Armbewegung ließ Meijtens zusammenzucken. »Nein, verdammt – beim Außenministerium zu kündigen und stattdessen Zeitungsbote zu werden natürlich.«
    »Er wird seine Gründe gehabt haben. Wer weiß, vielleicht war es für ihn die richtige Entscheidung«, erwiderte Meijtens, der ewige Abbrecher, und dachte an die vielen seltsamen Entscheidungen, die dazu geführt hatten, dass er in diesem Moment versuchte, mit einem erregten Mittelstufenlehrer mittleren Alters Schritt zu halten.
    » Nein , er hatte keine Gründe, und es war nicht das Richtige für ihn«, rief Åke Sundström aus. »Sie verstehen das nicht, Erik war kein gewöhnlicher Mensch, kein mittelmäßiger Typ, der sich durchs Leben schlägt, so gut es eben geht, wie Sie und ich. Er war eine herausragende Begabung und ein Vorbild, und das bedeutet verdammt noch mal auch, dass man eine gewisse Verantwortung trägt. Die Verantwortung, etwas aus seinen Fähigkeiten zu machen und anderen zu zeigen, was möglich ist.«
    »Hat er Ihnen erklärt, warum er übergelaufen ist? Oder hat man ihn aus politischen Gründen gefeuert?«
    Åke Sundströms Wut schien sich ebenso schnell verflüchtigt zu haben, wie sie ihn gepackt hatte, und er schüttelte traurig den Kopf. »Das wollte ich auch von ihm wissen, aber so ist es nicht gewesen. Er hatte von sich aus gekündigt, ohne Druck von außen. Sein politisches Engagement war nie ein Thema gewesen.«
    »Aber warum hat er dann aufgehört?«
    Åke Sundström zuckte mit den Schultern. »Das habe ich ihn natürlich auch gefragt, und zwar mehr als einmal. Ohne wirklich eine Antwort zu bekommen, möchte ich behaupten. Wir hatten ziemlich hitzige Diskussionen darüber. Ich fand, dass er ein verdammter Idiot war, der sein Leben vergeudete, und er fand, dass ich mich um meinen Kram kümmern solle, auch wenn er das nicht offen aussprach. Und da hatte er

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