Ein Freund aus alten Tagen
starrte sie an. »Von dir?«
Natalie murmelte ein beiläufiges Ja.
»Du hast doch selbst gesagt, du würdest nicht glauben, dass er ein Spion war. Du warst dir nur nicht sicher, was den Nachrichtenwert betraf.«
Er drehte sich um und wärmte die Teekanne vor. Natalie schwieg.
»Hättest du nicht erst mit mir reden sollen?«
»Du warst nicht da, oder?« Er konnte ihr Schulterzucken zwar nicht sehen, glaubte es aber zu hören. »Jetzt mach aus Prawda keine große Sache. Er hatte diese Position schon von offizieller Seite bekommen und wollte sich nur erkundigen, was wir mit unserer kleinen Fragenotiz meinten, wie er sich ausdrückte. Ich habe das nur heruntergespielt, damit er sich sicher genug fühlte, um seine Spionthese herausposaunen zu können. Mehr war da nicht.«
Meijtens wandte sich um.
»Aber warum?«
Sie nahm die Teetasse in Empfang und zog die Beine unter sich. »Das führt die Herde in die falsche Richtung und verschafft uns ein bisschen Zeit.«
»Zeit für was?«
»Zeit für einen neuen Artikel darüber, dass Erik Lindman unschuldig war.«
Meijtens rückte die Stapel von Dokumenten auf seinem Tisch gerade. »Aber für dich hatte die Sache doch keinen Nachrichtenwert.«
Sie streifte den Handtuchturban ab und schüttelte ihr Haar aus. »Du kennst doch den Spruch, dass eine Nachricht etwas ist, was irgendjemand geheim zu halten versucht. Ich stand deiner Theorie ein wenig skeptisch gegenüber, das stimmt. Aber es gibt offenbar eine Reihe von Leuten, denen viel daran gelegen ist, ihre Version von Erik Lindmans Schuld unters Volk zu bringen. Es ist ihnen sogar so viel daran gelegen, dass sie Prawda schon am Erscheinungstag unserer Zeitung damit gefüttert haben. Am selben Tag!«
»Dann willst du weiter mit mir an der Sache arbeiten? Ist es das, was du mir sagen willst?«
Sie fuhr mit der Hand durch ihre nassen Haare. »Es schien mir angemessen, dich zuerst zu fragen. Du hast die Spur gefunden. Außerdem gibt es eine Menge historischer Details, und für die braucht man …«
»Einen verstaubten Historiker?«
Sie lachte. »Das hast du gesagt.«
Bertil Andersson würde ihn mit Sicherheit nicht alleine weiterrecherchieren lassen. Und was hatte sie eigentlich gemeint? Würde sie sonst alleine weitermachen? Vielleicht hatte sie seine Gedanken gelesen, denn es legte sich ein schiefes Lächeln auf ihr Gesicht.
»Also, was sagst du, Meijtens? Partner?«
Das Telefon klingelte, und er sah Natalie erstaunt an.
»Ich habe es wieder eingesteckt«, erklärte sie ruhig. »Ich fand es irgendwie albern, es ausgesteckt zu lassen.«
Meijtens ging an den Apparat und hörte am anderen Ende der Leitung eine vertraute Stimme.
»Herr Meijtens, endlich hast du die Güte, an den Apparat zu gehen. Ich habe schon den ganzen Tag vergeblich versucht, dich zu erreichen, du warst wie vom Erdboden verschluckt. Gibt es noch einen anderen Weg, Kontakt zu seinem alten Lieblingsstudenten zu bekommen, als durch die Lektüre seiner Heldentaten in der Presse?«
Jakub konnte nicht verhehlen, wie aufgekratzt er war, sein slawischer Akzent war markanter als sonst.
»Hör zu, Janka macht hier gerade großen Hausputz, und es gibt da zwei, drei Dinge, die ich dir sagen möchte, also lass uns extravagant sein und essen gehen, in unserem Stammlokal.«
Meijtens schielte zu Natalie hinüber. Sie hatte sich an den Tisch gesetzt und begonnen, sein Material zu Erik Lindman zu sichten. Es hatte den Anschein, als würde sie jeden Artikel auf der Suche nach etwas Bestimmtem überfliegen. Er bemerkte gereizt, dass sie die Artikel in einer ganz anderen Reihenfolge als der ursprünglichen zurücklegte. Ohne ihn zu fragen natürlich.
»Ist es okay, wenn ich meine Kollegin mitbringe?«
18 Meijtens nippte an dem Wein, den Jakub ausgewählt hatte, und spürte, wie die Wärme in seine Wangen zurückkehrte. Draußen hatte ein kalter Wind geweht, aber im Restaurant fühlte man sich von den dunklen Holzpaneelen, den Wappenschilden und dem Licht der Kerzen wohlig umhüllt. Hier gingen sie immer hin, wenn es etwas zu feiern gab – wegen der Atmosphäre und der üppigen mitteleuropäischen Küche, die Jakub bevorzugte. Die einzige Gaststätte weit und breit, in der sie nicht versuchen, dir einen Salat aufzuzwingen, pflegte er zu sagen.
Jakub stieß zum dritten Mal auf das an, was er beharrlich ihren journalistischen Volltreffer nannte. Bisher war der Abend unerwartet gelungen verlaufen. Meijtens hatte sich vorher ein wenig Sorgen gemacht – Jakub
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