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Ein Freund aus alten Tagen

Ein Freund aus alten Tagen

Titel: Ein Freund aus alten Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magnus Montelius
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Fragen gestellt. Was gestohlen wurde und was sie nicht mitgenommen haben. Und zu diesen Telefonanrufen. Für deinen Karton hat er sich ganz besonders interessiert. Er fand es auch seltsam, dass sie ihn durchwühlt haben.«
    »Was wollte er denn über den Karton wissen?«
    »Ach, nach dem hat er sich bestimmt nur erkundigt, weil er dich kannte. Irgendwo habe ich mir den Namen notiert. Ich habe nicht ganz kapiert, ob es ein Vor- oder Nachname war.«
    Tilas, dachte Meijtens. Was zum Teufel hatte er denn jetzt wieder im Visier?
    Eigentlich hatte er vorgehabt, sich einen Platz an der Wand zu suchen, aber dann konnte er einfach nicht der Versuchung widerstehen, einen Tisch an den hohen Fenstern zur Straße zu wählen. Es war ein großer Raum, an dessen Decke Kronleuchter hingen. Einige der Menschen in dem Café schienen Hotelgäste zu sein, aber die meisten waren offensichtlich Belgrader. Alte Freunde, die in lange Gespräche bei mehreren Tassen starkem türkischen Kaffee vertieft waren. Ein verliebtes Paar und einige Familien, die sich an den berühmten Backwaren gütlich taten.
    Es fiel ihm nicht weiter schwer, seinen Besucher zu identifizieren, als Dr. Pecanin den Raum betrat. Er trug einen langen, abgewetzten Mantel, der für den lauen Herbstabend eindeutig zu warm war. Seine Brille hatte dicke Bügel aus Bakelit, und sein ergrauter Bart war sorgsam getrimmt. Er bewegte sich wie ein Mann, der sich verlaufen hatte und nun befürchtete, dass er störte. Als er sah, dass Meijtens aufstand, zog er den Hut und lächelte freundlich. Begleitet wurde er von einer jungen Frau.
    »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich meine Nichte mitgebracht habe«, sagte er, nachdem er sich am Tisch niedergelassen hatte. »Mein Englisch ist nicht besonders gut, und sie kann für mich dolmetschen, falls wir Probleme mit der Verständigung haben sollten.«
    Sie bestellten Kaffee, und Dr. Leonard Pecanin erläuterte etwas genauer, wer er war und wie es kam, dass er sich in Belgrad aufhielt, als in seiner knappen Erklärung über die rauschende Telefonleitung am Vortag. Sein Englisch war in Wahrheit ganz ausgezeichnet, auch wenn er etwas förmlich und mit starkem Akzent sprach. Zweifellos das Ergebnis einer lebenslangen akademischen Karriere an der isolierten Universität von Tirana.
    Als einer der Experten für angewandte Naturwissenschaften hatte er nicht nur einen Platz im Wissenschaftsrat des Landes erobert, sondern war auch in das Zentralkomitee der herrschenden kommunistischen Partei Albaniens gewählt worden.
    »Meine Arbeit über die Herstellung von Phosphat wurde in einer internationalen Publikation veröffentlicht, sind Ihnen meine Artikel eventuell bekannt?«
    Meijtens schüttelte höflich den Kopf.
    Dr. Pecanin hatte die Säuberungen Anfang der Achtzigerjahre überstanden. Dass er später in Ungnade fiel, hatte nichts mit irgendwelchen politischen Umwälzungen zu tun. Wie so viele andere Menschen in Diktaturen war er ein Opfer des Zufalls geworden. Ein Student seiner Fakultät wurde verhaftet, als er versuchte, das Land zu verlassen. Im Gefängnis hatte man ihn gefoltert und dazu vernommen, welche Regimekritiker er kannte.
    »Der arme Junge kannte nur leider gar keine Regimekritiker, da er im Grunde kein Oppositioneller war, sondern nur der Armut entfliehen und sein Glück im Westen versuchen wollte. Als er die Folter nicht länger ertrug, nannte er Namen, damit der Leiter der Vernehmungen seine Schmerzen linderte. Ich hatte ihn einmal bei einer Prüfung durchfallen lassen, deshalb gehörte mein Name zu den Ersten, die ihm einfielen.«
    Dr. Pecanin lächelte milde, und als seine Nichte empört etwas auf Albanisch ausrief, nahm er ihre Hand in seine und wiegte sie ruhig. »Ach, wir wollen diesen Jungen nicht zu hart verurteilen. Nachdem mir die gleiche Behandlung zuteilgeworden ist, hege ich keinen Groll mehr gegen ihn.«
    Nachdem Pecanin während des politischen Tauwetters als einer der Ersten entlassen worden war, war er nicht nach Italien oder in die BRD gegangen wie die meisten anderen, sondern nach Jugoslawien, da er in Priština viele albanische Freunde hatte. Doch als er in Belgrad eintraf, musste er feststellen, dass die örtlichen Behörden inzwischen wie besessen von der ethnischen Herkunft der Asylsuchenden waren. Nach Priština zu reisen erwies sich als unmöglich.
    »Sie meinten, sie hätten schon mehr als genug Albaner im Kosovo«, sagte er, aber in seiner Stimme lag keine Spur von Verbitterung. »Dann kam es

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