Ein Freund aus alten Tagen
McCarthy-Ära beschweren?«, entgegnete Rydman.
Diesmal war Meijtens schneller. »Aber unsere Theorie ist doch gerade, dass Erik Lindman kein Spion war. Wie zum Teufel kann es dann um McCarthy gehen?«
»So einfach liegen die Dinge nicht, Meijtens«, erklärte Bertil Andersson.
Rydman nickte. »Es geht um eine sensible und komplizierte Geschichte, und ihr habt nicht das Gesamtbild vor Augen.«
»Schön, und was ist das Gesamtbild?«, fragte Meijtens. »Was ist es, was wir offensichtlich nicht wissen?«
»Ihr habt keine Ahnung, was bei dieser Geschichte alles passiert ist. Wir wissen , dass der Staatsschutz die Ereignisse untersucht hat. Und zwar mit äußerster Sorgfalt. Ihr müsst begreifen, dass wir uns lächerlich machen, wenn wir versuchen, einen alten Spion zu rehabilitieren, und Lindmans Schuld ist eindeutig belegt.«
Es entstand ein angespanntes Schweigen. Sie alle kannten die Geschichte des sogenannten Almerydmannes, eines Busfahrers, der angeklagt worden war, seine Frau ermordet zu haben. Die Polizei hatte lediglich Indizienbeweise, dennoch wurde der Mann in erster Instanz verurteilt. Die Lokalzeitung vor Ort, deren Chefredakteur Rydman damals war, brachte daraufhin eine Reportagereihe über die zahlreichen Fehler der Polizei bei den Ermittlungen. Die Artikel entwickelten sich zu einer regelrechten Kampagne, und in der nächsten Instanz wurde der Mann tatsächlich freigesprochen.
Noch bevor der Jubel verklungen war, wurde wegen einer defekten Wasserleitung auf dem Grundstück des Mannes eine Grube ausgehoben, in der man die Leichen von zwei Frauen fand, die ein paar Jahre zuvor verschwunden waren. Daraufhin brach der Almerydmann zusammen und gestand insgesamt drei Morde, darunter auch den an seiner Frau. Sie hatte ihm gedroht, ihn zu verraten, und er hatte sie zum Schweigen gebracht. Das Bild, auf dem Rydman die Hand des freigelassenen Almerydmannes zu einer Siegergeste in die Höhe riss, war in allen Zeitungen des Landes auf der Titelseite gewesen.
»Wir haben natürlich niemals vorgehabt, etwas zu veröffentlichen, was wir nicht sicher belegen können«, sagte Natalie.
Meijtens begann darzulegen, was sie bisher herausgefunden hatten, aber Rydman unterbrach ihn gereizt. »Begreifst du nicht, dass ihr Gefahr lauft, eine Menge Dinge aufzuwirbeln, wenn ihr in dieser Geschichte herumstochert?«
»Was denn aufzuwirbeln?«, beharrte Meijtens.
Bertil Andersson räusperte sich. »Es geht hier nicht zuletzt um das Personal, das uns zur Verfügung steht. Immerhin sind wir nur eine kleine Redaktion, und ich kann nicht verantworten, dass zwei meiner Journalisten so viel Arbeitszeit auf ein Thema verwenden, über das in meinen Augen bereits alles gesagt worden ist.«
»Das ist ein weiterer wichtiger Aspekt, den Bertil völlig zu Recht aufgreift«, sagte Rydman und zeigte auf seinen Stellvertreter, als gäbe er bei einer Quizsendung den Gewinner bekannt.
Die Diskussion ging weiter, aber dabei wurde nur deutlich, dass ihr Chefredakteur sich entschieden hatte. Er lehnte sich zurück und setzte seine Brille auf.
»Bertil und ich haben beschlossen, die Sache vorerst auf Eis zu legen. Sollte etwas Neues herauskommen, werdet ihr das mit Bertil besprechen, der sich anschließend mit mir berät. Diesmal tun wir nichts ohne meine ausdrückliche Genehmigung.«
Rydman fuhr in einem gespielt gleichgültigen Ton fort: »Darüber hinaus haben wir Folgendes beschlossen: Wenn wir die Sache weiterverfolgen, werden wir andere Mitarbeiter darauf ansetzen.«
Natalie protestierte, aber Bertil Andersson legte seine Hand auf ihren Arm.
»Wenn wir einer so sensiblen Geschichte weiter nachgehen, möchte ich dafür meine erfahrensten und umsichtigsten Journalisten einsetzen. Ich hoffe, das versteht ihr«, sagte Rydman.
Bevor sie dazu kamen, ihm zu antworten, griff Bertil Andersson ein. »Ich denke, es ist alles gesagt worden, was gesagt werden musste. Die Details bespreche ich mit den beiden unten in der Redaktion.«
Er nickte Natalie und Meijtens zu, um ihnen zu signalisieren, dass die Besprechung für sie vorbei war.
Im Aufzug fluchte Natalie leise vor sich hin, Meijtens hingegen blieb stumm. Die Wut über Rydman fiel bereits von ihm ab. Er dachte über Dr. Pecanins Geschichte nach, über kleine Details, die er zu einem noch unvollständigen Muster sortierte.
»Woran denkst du?«, fragte sie leise.
Er schaute zur Decke. »Ich frage mich, was aus Rydmans Worten über ›unseren hauseigenen Historiker‹ geworden
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