Ein Freund aus alten Tagen
»Herein!« rief.
Die Sekretärin geleitete sie hinein, und Meijtens hörte, dass sie Natalie zuraunte: »Fünfzehn Minuten, nicht mehr!«, während sie an ihr vorbeigingen.
Der Raum war riesig. Zwei große Fenster ließen Licht herein, das auf dunkle Möbel fiel. Am hinteren Ende saß Sonia Terselius an einem Schreibtisch und schrieb. Sie blickte nicht auf, sondern bedeutete ihnen lediglich mit einer Geste, dass sie Platz nehmen sollten.
Nach einer Weile hob sie den Kopf und setzte rasch ein professionelles Lächeln auf, das allerdings genauso schnell wieder verschwand. Ihr dunkles Haar wies eine graue Strähne auf, die wie ein einzelner, perfekter Pinselstrich wirkte. Das Gesicht wurde von ihren hohen Wangenknochen und dem markanten Kinn dominiert.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie und schraubte ihren Füller zu.
»Wir sind gekommen, um Ihnen einige Fragen zu Erik Lindman zu stellen«, sagte Natalie.
Sonia Terselius verriet mit keiner Meine, ob dieses Gesprächsthema sie berührte. Natalie fasste kurz zusammen, woran sie arbeiteten und was in der letzten Ausgabe von 7Plus gestanden hatte.
»Haben Sie die Artikel gelesen?«, erkundigte sich Natalie.
»Ich habe sie flüchtig überflogen.«
»Wir denken über einen weiteren Artikel nach und möchten Ihnen gewisse ergänzende Fragen zu Erik Lindmans Leben in Schweden stellen«, erklärte Natalie.
Sonia Terselius’ Lippen wurden ein wenig schmaler, aber ansonsten behielt sie ihre Gesichtszüge unter Kontrolle.
»Ich nehme demnach an, dass Sie gekommen sind, um mit mir über Persönliches zu sprechen, und nicht, um Fragen zu stellen, die das Oberlandesgericht betreffen.«
Natalie nickte, aber Meijtens merkte, dass sie genauso verblüfft war wie er selbst. Dies war genau wie Terselius’ frühere Behauptung, ihre Artikel nur flüchtig überflogen zu haben, eine seltsame Aussage.
Dann begann Sonia Terselius zu erzählen, oder besser gesagt, sie erstattete Bericht, denn ihre Schilderung war so formell gehalten, dass sie eher einer Aussage vor Gericht als einer persönlichen Geschichte ähnelte. Als würde sie die Zusammenfassung des Lebenslaufs eines anderen Menschen verlesen. Erik Lindman, die Jahre in Uppsala, der Umzug nach Stockholm. Meijtens fiel auf, dass alles Private – ihre Beziehung, das politische Engagement und sein Verschwinden – in kurze, neutrale Nebensätze gepackt wurde.
»Entschuldigung, aber das wissen wir alles schon«, sagte Natalie.
Meijtens nahm ein freundliches, fast einschmeichelndes Lächeln wahr. Was machte sie da?
»Sie haben gesagt, dass Sie nur wenig Zeit haben, deshalb dachte ich, wenn Sie nichts dagegen haben, könnten wir direkt zu den Dingen kommen, die uns beschäftigen. Worauf wir keine Antwort haben«, fuhr sie fort.
Zum ersten Mal schien Terselius die Beherrschung zu verlieren. Sie nickte abwartend.
»Wie kam es, dass Sie die Polizei riefen, als Erik Lindman verschwunden war? Hatten Sie nicht seine Nachricht bekommen, dass er verreisen wollte?«
Natalies Stimme klang hilfsbereit, als versuchte sie, jemandem mit klugen Fragen zu helfen, einen Schlüsselbund zu finden.
Sonia Terselius schaute misstrauisch vom einen zum anderen. Um ihre Augen waren kleine Zornesfältchen aufgetaucht.
»Ich habe mit dem Mann zusammengelebt, in dessen Privatleben Sie jetzt herumwühlen. Er war ein Teil meines Lebens, meiner Jugend. Und das ist es, was Sie wissen wollen? Das Einzige, was Sie interessiert? Warum ich die Polizei gerufen habe?«
Wenn es Natalies Absicht gewesen war, Terselius aus der Fassung zu bringen, war ihr dies jedenfalls gelungen. Jetzt klang Natalie so wohlwollend wie eine Immobilienmaklerin.
»Wir möchten Ihre Zeit nicht unnötig beanspruchen, und das wäre das Puzzleteil, das uns fehlt.«
Sonia Terselius gelang es, sich zu beherrschen, aber ihre alte Selbstsicherheit gewann sie nicht zurück. »Das ist alles schon so lange her, ich erinnere mich nicht einmal richtig.«
»Dieser Punkt hatte aber offenbar eine gewisse Bedeutung für die weitere Entwicklung der Ereignisse.«
Sonia Terselius’ Augen verengten sich, als hätte sie Schmerzen. Sie schien genau zu begreifen, was Natalie meinte.
»Was hätte ich denn tun sollen?« Dabei richtete sie sich anscheinend ebenso sehr an sich selbst wie an Natalie und Meijtens. »Er war doch verschwunden.«
»Aber hatte er nicht seinem Freund Åke Sundström gesagt, dass er wegfahren würde? Hat Åke Sundström Ihnen das nicht ausgerichtet?«, beharrte
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