Ein Freund aus alten Tagen
Natalie.
Terselius lehnte sich zurück. Sie hatte sich darauf vorbereitet, ihnen eine geschönte Version ihrer revolutionären Jugend zu liefern. Nicht auf diese Fragen. Sie schüttelte den Kopf.
»Ich konnte doch nicht bloß auf Åke hören. Meiner Ansicht nach war sein Urteilsvermögen nicht immer das Beste, und in den letzten Jahren hielt Erik nur noch sehr sporadisch Kontakt zu ihm.«
»Nicht bloß auf Åke hören«, wiederholte Natalie. »Heißt das, es gab andere, die Sie gedrängt haben, stattdessen die Polizei zu rufen?«
Sonia Terselius antwortete nicht.
»Carl Wijkman? Wollte Carl Wijkman, dass Sie die Polizei rufen? Johan Rooth? Wer?« Natalie klang immer noch freundlich, aber in ihrer Stimme schwang ein neuer Unterton mit.
Als Rooths Name fiel, verschränkte Terselius die Arme und starrte auf den Schreibtisch. »Ich kann mich nicht mehr an alle Details erinnern, aber es erschien mir einfach vernünftig, die Polizei zu rufen, als mein Verlobter verschwunden war.«
»Und er hat sich nie wieder gemeldet, nicht einmal nach seiner Rückkehr?«, fragte Natalie.
Sonia Terselius schüttelte den Kopf.
»Finden Sie es nicht seltsam, dass er unter seiner albanischen Identität zurückgekehrt ist, ohne sich zu erkennen zu geben?«
Über das Gesicht von Sonia Terselius huschte ein Schatten. Meijtens wusste nicht, ob Schmerz oder Wut die Ursache war. Sie ging zum Fenster und starrte auf den Hof. Sie konnten ihren Gesichtsausdruck nicht sehen.
»Ich weiß es wirklich nicht. Sie müssen verstehen, das alles ist zwar lange her, aber es war auch ein schreckliches Ereignis in meinem Leben. Mein Verlobter ist damals spurlos verschwunden. Am Ende verdrängt man einige Dinge, um damit abschließen zu können. Ein paar Jahre später lernte ich den Mann kennen, den ich dann heiraten sollte. Ich habe versucht, das alles hinter mir zu lassen. Mittlerweile sind wir seit vielen Jahren geschieden. Das Leben geht weiter, was immer auch geschieht.«
Sie sah auf ihre Armbanduhr, drehte sich aber nicht zu ihnen um.
»Ich habe nicht mehr viel Zeit, gleich habe ich den nächsten Termin. Sie haben gegenüber meiner Sekretärin erwähnt, dass Sie Informationen darüber haben, wie es Erik in Albanien ergangen ist. Wie Sie vielleicht verstehen werden, würde ich gerne mehr darüber erfahren, bevor Sie gehen.«
Deshalb hatte er also hier herumsitzen und zuhören müssen, während Natalie sich in Terselius verbissen hatte wie ein kleiner Jagdhund. Obwohl er eigentlich lieber nach Informationen gesucht hätte, die Pecanins Geschichte bestätigten. Natalie hatte Terselius versprochen, dass Meijtens ihr erzählen würde, was er über Erik Lindmans Leben in Albanien herausgefunden hatte.
Er befeuchtete seine Lippen. Es war ihm wichtig, ihr nicht noch mehr wehzutun, weshalb er kurz und ziemlich verharmlosend zusammenfasste, was Pecanin ihm erzählt hatte. Er erwähnte die Folterungen mit keinem Wort und spielte auch die langen Phasen im Gefängnis herunter.
»Dann ist das Leben für ihn also trotz allem nicht völlig unerträglich gewesen?«, fragte Sonia Terselius.
»Zeitweilig nicht, das ist richtig. Andererseits hat er sich dort natürlich auch nicht freiwillig aufgehalten.«
»Danke, das habe ich begriffen.«
Alle schwiegen für einige Sekunden.
»Sie sagen, er hat dort eine Familie gegründet? Weiß man, was mit seiner Frau und seinem Kind passiert ist?«
Meijtens schüttelte den Kopf, erkannte dann jedoch, dass diese Geste sinnlos war, da Terselius mit dem Rücken zu ihnen am Fenster stand.
»Nein, das wissen wir nicht«, sagte er.
Sonia Terselius senkte den Kopf und lehnte sich gegen den Fensterrahmen.
»Ich muss Sie jetzt bitten zu gehen.«
Sie verabschiedeten sich, aber Sonia Terselius drehte sich nicht mehr zu ihnen um.
25 Als sie in die Redaktion zurückkamen, konnte Meijtens sich nicht mehr bremsen. »Wozu sollte das denn jetzt gut sein?«
»Was denn?«
»Du hast sie provoziert. Was wolltest du damit bezwecken?«
»Ach, das hält die schon aus.«
»Aber wir haben absolut nichts aus ihr herausgeholt.«
»Das wäre uns so oder so nicht gelungen. Wir können diesen Leuten nicht immer nur harmlose, höfliche Fragen stellen, sonst lügen sie uns an und lügen immer weiter. Manchmal muss man den Baum schütteln und schauen, was herunterfällt.«
Natalie warf ihre Tasche auf den Schreibtisch. »Ich habe Bertil einen neuen Artikel für die nächste Ausgabe versprochen. Er wollte, dass wir sofort etwas liefern. Das
Weitere Kostenlose Bücher