Ein Freund der Erde
Größere war mal Profiringer, zu Zeiten, als man so was noch interessant fand, und der Kleinere hat wie gesagt so zugenommen, daß er nicht mehr wie ein Mensch aussieht. Sie lassen sich auf ihre Stühle sinken, schwer und freudlos.
Mac grinst. Mac sprudelt geradezu über vor den Gefühlen, die seinen Leibwächtern fehlen, und einen Augenblick lang glaube ich, er schnappt sich die Büste von Chuck D von ihrem Sockel und tanzt mit ihr durch den Raum, aber dann gleitet er auf seinen Sitz am Kopfende des Tisches und entfaltet mit einer geübten Bewegung des Handgelenks seine Serviette. »Heute gibt’s Eier, wie ich höre«, kräht er und beschert uns sein berühmtes Lächeln, »genau wie damals, als Mama uns Rührei gebraten hat, uns acht Geschwistern in Detroit. Ja klar doch: Eier zum Frühstück, Mittagessen und Abendbrot – und jetzt ist das auf einmal ne Delikatesse, findet ihr das nicht irre?«
Ehe jemand antworten kann, holt April Wind hörbar Luft – ein schmerzender, hilfeschreiender, quasi in der Wiege erstickter Atemzug – und fragt: »Ist es wahr, Mac?«
Mac wendet sich kurz zu mir, die Sonnenbrille reflektiert das Licht des Kronleuchters in einem giftigsilbernen Blitz, dann kehrt sein Blick zu April Wind zurück, und ich muß unwillkürlich an ihr verkniffenes Lächeln der Zufriedenheit denken, das sie aufgesetzt hatte, als ich sie zum erstenmal frühmorgens aus Macs Zimmer huschen sah, oder damals, als sie bei einer Vorführung von Jahr 2022... die überleben wollen im Kinosaal auf seinem Schoß saß wie eine Bauchrednerpuppe. Na schön, denke ich, soll sie die Quittung ruhig kriegen. Wer ist sie schon, und wie hat sie sich hier bloß reingeschleimt?
Macs Antwort kommt leise, so süß und lispelnd geraunt, daß meine Altmännerohren sie kaum verstehen: »Wenn du meinst, was ich denke, das du meinst, Baby, ja, dann stimmt es, wir machen uns hier vom Acker – Al und Al und ich –, heute nachmittag. Geschäfte, weißt du. Oben im Norden. Ihr könnt hierbleiben, und es wird alles wieder aufgebaut, also keine Sorge, Ty – du weißt genau, daß ich diese kostbaren lieben Geschöpfe unten im Keller für nichts auf der Welt opfern würde.«
April Wind möchte dazu noch eine Menge sagen, das ist offenkundig, sie will die Geister der Bäume und andere animistische Gottheiten anrufen, sie will über Kristalle und Auras sprechen, will alle esoterischen Tantra-Tussi-Kräfte aufbieten, um Mac an sich, an uns zu binden, doch sie wirft ihm nur einen flehentlichen Blick zu und archiviert ihre Worte für später, wenn sie ihn allein erwischt. Ich wette normalerweise nicht, aber ich gebe ihr nicht mal eine zehnprozentige Chance, daß sie einen Platz in diesem Hubschrauber bekommt, wenn er sich mit unserem Gott aus dem Schlamm in die Lüfte erhebt. Wiedersehen, Mac, denke ich, und dann wollen wir mal.
Die Geschehnisse bis zu diesem Punkt sind mir noch ziemlich klar in Erinnerung, der Champagner, die Verheißung von in Butter gebratenen Eiern, Mac, April Wind, Andrea, die beiden Als – all das ist gespeichert auf der Festplatte meines Altmännergedächtnisses. Aber der Rest hat leider Lücken und Löschungen erlitten. Muß wohl der Schockfaktor gewesen sein, selektive Erinnerung, unterdrückte Bilder – Eindrücke, die so nackt und schrecklich sind, daß man sie sich nicht eingesteht. Wohl oder übel, an folgendes erinnere ich mich noch sehr deutlich:
Fatima, ganz in Schwarz, schiebt sich gerade durch die Schwingtür aus der Küche hier oben, die eigentlich nur ein Aufwärmraum ist, durch einen stummen Diener mit der Hauptküche im Erdgeschoß und dem Müllschlucker im Keller verbunden, und Zulfikar geht direkt hinter ihr mit seiner weißen Kochmütze und einer fleckigen Schürze. Beide tragen große silberne Teller, und ein vertrautes Ambrosiaaroma erinnert mich an meine Mutter, meine Großmutter, an die Küchen jener alten Zeiten, aber an den Geschmack der Eier erinnere ich mich nicht, deswegen nehme ich an, daß wir nicht so weit kamen. Ich sehe noch die großen silbernen Schüsseln mitten auf dem Tisch, Fatimas bohrende schwarze Augen spähen durch den Spalt in ihrem Schleier, und als nächstes sehe ich Dandelion vor mir, so absurd das auch scheinen mag, wie er sich mit Klauen und Tatzen vom Keller durch den Speiseaufzug hinaufarbeitet und dabei großen Mumm und löwenhaften Einsatz beweist, den ich unter anderen Umständen bewundert hätte. Und das ist vielleicht ein Bild: knapp zweihundert entschlossene
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