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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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schädigten. Er riß sie heraus. Riß alles heraus und zerkleinerte Stiele, Blätter und Wurzelballen in einem lauten Shredder, dann bepflanzte er den Garten mit heimischen Gewächsen neu. Neben dem Haus setzte er Sykomoren, Walnußbäume und immergrüne Eichen ein, und auf dem nach Westen gewandten Hang dahinter pflanzte er Säckelblumensträucher, gefleckten Knöterich, Catalinakirschen und gewaltige Schneisen von Yucca. Ebenso bestimmt war er mit dem Swimmingpool. Er konnte nicht damit leben – schlicht und einfach. Da war er, blinkte künstlich in der Sonne, verschlang Strom, Chemikalien und Wasser, das den weiten Weg vom Sacramento und Colorado River herübergepumpt werden mußte. Es war obszön, nichts anderes. Und so kündigte er, trotz Andreas Protesten, dem Pool-Mann schon nach zwei Monaten, ließ einen Meter Wasser ab und warf Steine, Erde und Pflanzenreste in das Becken, womit er eine Art Teich schuf, in dem Wasservögel sich mit Laubfröschen und der gemeinen Kröte vergnügten.
    Der Besitzer des Nachbargrundstücks – Roger Soundso, Tierwater bekam den Nachnamen nie richtig mit – bezweifelte die Weisheit dieser Entscheidung. Roger war Investmentmakler und trug langärmlige gestreifte Hemden, sogar beim Beschneiden der Rosen oder wenn er mit dem schlangenartigen grünen Gartenschlauch seinen Rasen überwässerte. »Da brüten nur die Moskitos«, meinte er eines Nachmittags, den langen Hals über den Redwoodzaun gereckt, der ihre Gärten trennte.
    Tierwater hatte zwar längst mückenlarvenfressende Koboldkärpflinge (Gambusia affinis holbrooki) in seinem Teich ausgesetzt, aber das sagte er Roger nicht. »Besser als Spießerdrohnen«, sagte er.
    Der Rasen vor dem Haus wurde in Streifen ausgegraben, und wo vorher unersättlich durstiges Gras gewesen war, schuf er nun ein Trockenbiotop aus heimischen Pflanzen, und wie jeder wahre und gute Kleinbürger beschied er den Nörglern unter seinen Nachbarn, sie könnten ihn alle mal am Arsch lecken. Er fühlte sich gut. Selbstgerecht. Er tat seinen Teil, um wenigstens einen kleinen Zipfel des Ökosystems wiederherzustellen, auch wenn niemand sonst es ihm nachtat. Aber wenn alle umschwenken, wenn alle mitmachen würden, alle seine Mercedes fahrenden, schnäppchenversessenen Nachbarn, dann wäre alles in Ordnung – das heißt, wenn sie außerdem noch die kluge Entscheidung träfen, hinters Haus zu ihren Komposthaufen zu gehen, ihre in Designerklamotten gewandeten Leiber unter Laub und Grasschnitt zu begraben und sich dann in den Hinterkopf zu schießen.
    Na schön, vielleicht war er eine Art Sonderling – das würde er selbst als erster zugeben. Aber immerhin hielt er sich von Ärger fern, was Andrea und seinen Bewährungshelfer freute und, wie er gern dachte, Sierra auch. Doch eines Tages waren alle Bäume – und alle Büsche und Sukkulenten und Kakteen – gepflanzt, die Frösche quakten lustvoll aus dem umfunktionierten Swimmingpool und Tierwater stellte fest, daß er mehr brauchte, mehr Action. Es war eine Sucht, genau das war es: sobald man den Feind einmal kennt, sobald man in der Nacht zugeschlagen und die elektrisierende Wirkung davon gespürt hat, ist man abhängig. Diese passiven Sachen waren gut und schön: ein Ökosystem wiederherstellen, einen Rasen umgraben, Flugblätter verteilen und an Demos teilnehmen – aber das war nichts gegen tatkräftiges Handeln, gegen geheime, direkte, zerstörerische Aktionen. Wenn man nur genügend Abzugskanäle verstopfte und Planierraupen demolierte, wenn man diesen Konzernärschen nur genug Blut herauspreßte, dann würden sie schon klein beigeben. So glaubte Tierwater jedenfalls. Seine Bewährungsfrist war fast abgelaufen, und seine Tochter wurde rasch größer, sie war jetzt siebzehn, mit der Highschool fast fertig, und redete von einem Studium in Santa Cruz, einem netten bewaldeten Campus der University of California, den Andrea und er in den Frühjahrsferien auch bereits brav besichtigt hatten. Zwei Jahre waren eine lange Zeit, um Vater ist der Beste zu spielen. Und es hing ihm elendiglich zum Hals raus.
    Natürlich mußte er auch an Andrea denken. Mag sein, daß sie ihm seinerzeit mit Vergnügen die kleinen Tricks der Öko-Sabotage beigebracht hatte, doch jetzt lagen die Dinge anders. Sie hatte eine Stellung zu verteidigen – und er auch. Niemand hätte etwas davon, wenn er im Gefängnis saß. Er erinnerte sich an einen Abend irgendwann am Ende seiner zweijährigen Schicht als Hausmann und Spießerdrohne, als

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