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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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er seit langem wieder einmal das Thema nächtlicher Aktionen ansprach. Es war nach dem Essen, sie saßen noch bei einem Glas Wein zusammen. Sierra war in ihrem Zimmer, am Telefon, aus ihren Lautsprechern tröpfelten Nouveau-Folk-Harmonien wie sanfter Regen auf einen ruhigen See. Draußen, hinter den großen Fenstern, sammelten sich die Laubfrösche zu einem fröhlichen Gemeinschaftsquaken, um dem Sonnenuntergang zu huldigen. »Nein«, sagte Andrea, »das ist zu riskant.«
    Sie reagierte damit auf eine Bemerkung Tierwaters über die Elektrizitätsgesellschaft der Gegend und deren Pläne – »und zwar Pläne, die knapp vor der Umsetzung stehen, verdammt noch mal, Bulldozer, Löffelbagger, Biotop futschikato, das geht ganz fix« – zum Ausbau eines neuen Mastennetzes im Gebiet der Santa Susana Mountains am anderen Ende des Tals. »Es ist ganz einfach«, konterte Tierwater und fuhr mit dem Finger über den Rand seines Weinglases. »Bin letzte Woche jeden Nachmittag da raufgewandert – ach, das wußtest du nicht? –, und es ist total einfach. Genau, wie du es von der Sache im Siskiyou gesagt hast – ein Spaziergang im Park. Aber diesmal wirklich. Hundert Prozent. Kein Aufsichtspersonal, keine Nachtwächter, gar nichts. Die hacken da einfach alles um, für die ist es ein Job wie jeder andere, das sind Typen mit Schutzhelmen, die noch nie was von Ökologie gehört haben und denken, Sabotage hätte etwas mit Landschaftsgärtnerei zu tun.«
    »Nein, Ty«, sagte sie, und Furchen der Verärgerung terrassierten ihre Stirn bis zum Haaransatz. Sie warf ihren Schopf zurück, legte den Kopf schief und starrte ihn an. »Keine Guerillataktik mehr. Wir können uns das nicht leisten. Jedesmal, wenn irgend so ein Öko-Spinner etwas in die Luft jagt oder ein paar Bäume mit Stahlnägeln spickt, verlieren wir Punkte in der Öffentlichkeit, ganz zu schweigen von den Abgeordneten im Kongreß. Dreiundsiebzig Prozent der kalifornischen Wähler sagen, sie sind für die Umwelt. Da brauchen wir sie nur noch dazu zu bringen, auch wählen zu gehen – und das tun wir auch. Es gelingt uns. Wir brauchen keine Gewalt mehr – vielleicht hätten wir sie nie gebraucht.«
    Tierwater schwieg. Öko-Spinner. Das also war er jetzt? Ein unkontrollierbarer Faktor, eine Belastung für die Bewegung? Immerhin war er derjenige, der eine Strafe abgesessen hatte, während sie und Teo und die anderen händchenhaltend über die Blumenwiesen gehüpft waren – und Geld verdient hatten, nicht zu vergessen. Aber sicher. Denn war nicht Umweltschutz letzten Endes auch nur eine Karriere? Er hob das Glas an die Lippen und ließ den Wein auf seinem Gaumen spielen. Er roch wie eine mineralische Quelle und sonnenreife Früchte, doch er zog keinen Genuß daraus, denn dieser Duft war künstlich, und die Trauben, die ihren Saft dafür hergegeben hatten, waren mit Schwefel und Gott weiß was für Chemikalien behandelt worden. Eichen waren gefällt worden, um diesen Wein herzustellen. Lebensraum war verpraßt worden. In einem Weingarten lebte nichts, nicht einmal Fadenwürmer.
    »Ich sage keineswegs, daß direkte Aktionen unnötig sind – vor allem gegen Konzerne wie die Axxam Corporation oder die Bergbaugesellschaften und so weiter. Aber sie müssen friedlich sein – und legal.« Das Licht der sinkenden Sonne glühte rosa auf Wänden, Küchenarmaturen und Hängepflanzen, und es fixierte Andrea auf ihrem Stuhl wie in einem Bild von häuslicher Ruhe – Sitzende Frau mit Weinglas –, was diese Szene ja auch war. Bis jetzt. »Wir haben großartige Sachen abgezogen da oben in den Sierras, Ty, und wir haben die Leute überzeugt, das weißt du. Von uns, von dir und mir. Und ich sage es noch einmal – wir können uns keine Schnitzer leisten.«
    »Ich mache keine Schnitzer.«
    Sie antwortete sofort: »Da bin ich mir sicher.«
    Ihr Tonfall ärgerte ihn, weil eine stillschweigende Andeutung darin mitschwang: er würde sich deshalb keine Schnitzer leisten, weil er nicht viel mehr unternehmen würde, als seine Klappe aufzureißen und mit den Händen zu fuchteln, das sagte sie damit. Und noch mehr: sollte er es trotzdem wagen, Strickmütze, Fettschminke und Bolzenschneider hervorzukramen, gäbe es keine häusliche Ruhe, nicht in diesem Haus und nicht mit dieser Frau. »Du müßtest dich reden hören«, sagte er. »Du klingst wie die Nutte des Konzerns. Geht es dir wirklich nur darum – an die Spitze der Nahrungskette aufzusteigen? Um Politik? Und ein fettes Gehalt? Geht es

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