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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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können.
    Aber so ist es. Adieu, April Wind, und dann kommt irgendwann der Abend, an dem die böse Frau im Schlauchkleid und ihre Katalogisierer alle fest in ihren Betten im Big Ranchito Motel von Buellton schlafen. Andrea und ich fangen wie auf ein geheimes Stichwort damit an, den Olfputt zu beladen, als die Sonne am Horizont brutzelt, und Chuy setzt den peperoniroten Dodge Viper aus der Garage, in der Tasche seiner Bluejeans stecken die fünfzehnhundert Doller, die ich ihm gegeben habe. (Den Viper habe ich ihm auch geschenkt. »¿Qué está diciendo?« sagte er, und seine Augen huschten herum wie Insekten im Licht. »Sie meinen, ist dieses Auto meins?« Ich hatte ihn in die Wagenpapiere eingetragen und dabei Macs EKG-zackenartige Unterschrift so gut wie möglich gefälscht. – »Fahr los«, sagte ich. »Du hast es dir verdient.«)
    Andrea hatte nicht viel dabei, als sie damals im November in der Tür stand – Kosmetika, indianischen Schmuck, eine Auswahl von ärmellosen Tops und hautengen Kleidern, die Männer der jungalten Generation unweigerlich in fieberhafte sexuelle Nostalgie versetzt –, und viel mehr hat sie jetzt auch nicht. Allerdings bereichert sie das Gepäck um eine sattsame Anzahl von Stücken aus der Maclovio-Pulchris-Kollektion, alle elegant beiseite geschafft, bevor die Rechtsanwälte einfielen und die Verwalterin ihr Regiment begann. Wir stapeln die Sachen im Laderaum des Olfputt, zusammen mit den zerlumpten Resten meiner Habe, die die Überschwemmung des Gästehauses und die darauffolgenden Monate der Nässe überstanden haben. Wir arbeiten wortlos, intuitiv wie ein Team, jeder achtet auf den anderen, und wir denken auch daran, ein Sortiment von ehrwürdigen Fleischstücken in einer großen Kühlbox mitzunehmen, dazu so viel guten Wein, wie wir unter den Sitzen verstauen können (Sake trinke ich keinen mehr, weder selbstgebrannten noch echten). Was wir hier tun, ist das überhaupt legitim – und vor allem auch legal? Natürlich nicht. Aber Mac, denke ich, hätte nichts dagegen gehabt. Immerhin habe ich ihm zehn Jahre meines Lebens gegeben, ohne mich zu beschweren, von seinen Frauen hat er weniger gekriegt.
    Das Auto ist beladen. Die Schlüssel zum Haus habe ich in der Hand. Nur eines bleibt noch: die Tiere. In dem Moment, als ich diesen Räumungsbefehl in der Hand hielt, hatte ich beschlossen, sie freizulassen. Es war jetzt ohnehin scheißegal, und besser würde es für sie bestimmt nicht. Zwei Honigdachse, ein Männchen und ein Weibchen. Wohin würden die wohl gehen, was würden sie tun? Ihre Art stammt aus Südafrika und Indien, als überzeugte Allesfresser ernährten sie sich von Schnecken über Insekten bis zu Ratten, Knollenfrüchten, Obst und (logisch) Honig, aber jetzt ist die ganze Welt Afrika, und Indien, Bloomington, Kalkutta und die Bronx sind alle eins. Die Megafauna existiert nicht mehr, die Habitate sind auf Null geschrumpft, und es gibt praktisch keine Tiere mehr, bis auf die r-Strategen und ein paar Exoten. Also wieso nicht? Lassen wir sie frei und hoffen das Beste.
    Ich trete ein Stück zurück von ihrem Käfig, die Nitro schußbereit im Arm, öffne die Tür mit der Drahtschlinge, die Chuy noch gebastelt hat, und schenke ihnen die Freiheit. Sie können unerhört bösartig sein – bei Kämpfen und Konfrontationen gehen sie direkt auf die Geschlechtsorgane ihrer Widersacher los –, und ich empfinde leises Unwohlsein bei dem Gedanken, sie auf die Apartments und deren verarschte Bewohner loszulassen, die Sakapathians und die übrigen, die dort ihr Leben fristen, aber als ich mit Andrea ihren schlanken weißgemützten Gestalten nachblicke, die sich über das freie Gelände rasch ins tote Unterholz entlang des ausgetrockneten Wasserlaufs schlagen, fühle ich letzten Endes nichts als Erleichterung. Vielleicht haben sie dort ein leichtes Leben, schmausen Ratten und Opossums – vielleicht paaren sie sich auch, und eine völlig neue Unterart entsteht: Mellivora capensis pulchrisia .
    Mit den Pekaris ist es einfach. Die waren einst sowieso im Südwesten der USA heimisch, und ich brauche nur ihre drei Türen zu öffnen – eine in der Bowlingbahn, zwei in der unteren Eingangshalle – und zuzusehen, wie sie grunzend im Dämmerlicht verschwinden, und sie wirken nicht fremder oder ungewohnter als der Staub und die Steine und die Mesquitesträucher da draußen. Und die Schmutzgeier sind das reinste Vergnügen. Diese Vögel kennt man übrigens aus den alten Naturfilmen, sie haben

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