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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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erzählt –, die Frösche planschten paarungsbereit im Teich, und die Koboldkärpflinge betupften die Wasserfläche mit schmallippigen Küssen. Er traf sich ein paarmal mit Sandman, der jetzt in Long Beach wohnte und für eine Biotechnologiefirma arbeitete – »Da ist jetzt die Kohle drin, Alter, und die Zukunft auch« –, aber Andrea war nicht eben scharf auf diesen Exknacki und Gewalttäter, und Tierwater ließ die Beziehung abkühlen. Ende Oktober kam Teo zurück, was Andrea gefühlsmäßig dermaßen aufblühen ließ, daß Tierwater kurz davor stand, ein paar Köder auszulegen und sich mit der Schrotflinte auf die Lauer zu legen, um ein für allemal die Wahrheit herauszufinden, aber auch Sierra war heimgekehrt, und das lenkte ihn ab.
    Einen Monat lang feierten er und seine Tochter ihre Wiedervereinigung. Sie fuhren nach Disneyland und Achterbahn in Magic Mountain, wanderten in den San Gabriels, den Santa Monicas und den Santa Susanas, gingen essen – jede Mahlzeit, jeden Tag im Restaurant – und sahen in einem Theater in Brentwood Nora oder ein Puppenheim (»Ich werde nie so werden wie sie!«) und Der Menschenfeind . Sie war jetzt erwachsen, eine Frau fast so alt wie Jane, als er sie kennengelernt hatte. Wo sie auch hingingen, sah er Männer, die sie musterten, und das verschaffte ihm ein seltsames Beschützergefühl, lauter hündische, begierige Blicke, von Männern jeden Alters – sogar von Großvätern –, die die Hälse reckten, um einen Blick auf sie und ihre ebenmäßige Schönheit zu werfen. Was sie anhatte? Shorts, Röcke, T-Shirts, Blusen aus Seide oder Kunstseide, nichts besonders Aufreizendes, keinMake-up, kein Firlefanz, aber sie besaß die Gabe der Schönheit, und jeder Mann, der nicht innerlich tot war, reagierte darauf. Eines Nachmittags, beim Essen in einem Laden, der das Veganer-Prüfzeichen führte – Linsenbrei-Sandwich, Aubergine à la paysanne, Salat in Erdnußvinaigrette und Tofushake –, fragte er sie danach, das heißt nach Männern. »Dieser Rick, hieß der nicht so? Was ist aus dem eigentlich geworden?«
    Sie kaute gerade, ihre Wangen voll und rund, das Sonnenlicht zeichnete die Fliesen rings um einen kleinen Springbrunnen, man hörte das Gemurmel der anderen Gäste, das leise Rauschen der Wagen draußen auf der Straße. Sie brauchte eine Zeitlang, und in ihren schmalen Augen lag ein geheimes Wissen. »Ach, der«, sagte sie schließlich. »Da war ich im zweiten Studienjahr. Der war – ich weiß nicht, er fand Sport gut.«
    Tierwater, verdutzt: »Findest du Sport nicht gut?«
    »Du weißt, was ich meine.« Eine Pause. Irgendwo spielte ganz leise Coltrane, eine Melodie, die ihn umgehauen hatte, als er in ihrem Alter war. »Im letzten Jahr mochte ich Donovan Kurtz, ich hab dir von ihm erzählt. Den aus dem Kurs über Umweltrecht? Er hatte eine – willst du das überhaupt hören?«
    Eistee, das war es, was Tierwater wollte. Er winkte der Bedienung, und sie saßen schweigend da, während die Kellnerin sein Glas nachfüllte. »Sicher«, sagte er dann und ließ die Mundwinkel nach unten sinken.
    »Er hat Musik studiert und mir immer etwas vorgesungen, wenn wir miteinander geschlafen haben.«
    »Laß mich raten«, unterbrach Tierwater sie, um seine Verlegenheit zu verbergen: seine Tochter schlief mit jemandem . »Etwa I’ve Been Working on the Railroad ?«
    »Dad!«
    »Oder When the Saints Go Marching In ?«
    Bildete er es sich nur ein, oder wurde sie rot, ein klein wenig? Coltrane blies sich in der Ferne die Tonleiter hinauf und hinunter, herrliche Läufe, das Eis klirrte in seinem Glas. Er fragte: »Und was ist aus ihm geworden?«
    Sierra legte ihr Sandwich auf den Teller, sah beiseite, zuckte die Achseln. »Hat geheiratet.«
    Tja, und bald danach war sie in Nordkalifornien, in Scotia, und bereitete sich vor, unbefugt das Gelände von Coast Lumber zu betreten und einen der erstklassigsten Redwoods dieser Firma in Besitz zu nehmen, und Tierwater saß am Steuer des schwarzen BMW, raste den Highway 101 hinauf, neben ihm wühlte Andrea in seinen CDs (»Was ist damit, wie wär’s mit Pulchris: Barbecue You? «). Teo saß hinten, die fließende, sonnenbefleckte Landschaft zog an den Fenstern vorbei. Man sprach über Lobbyisten in Washington, die Scheinheiligkeit des Naturschutzverbands, die Spruchbänder, die sie schwenken wollten, wenn Sierra in luftige Höhen aufsteigen würde – und über die Geschwindigkeitsbegrenzung. »Fahr langsamer, Ty – hier ist Tempo neunzig angesagt«,

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