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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Tierwater.
    Teo sah ihn nur an, und er trug eine Sonnenbrille, obwohl der Himmel bedeckt war, zwei goldbraune Schlitze, die sein Gesicht schmaler und das glänzende Stoppelfeld seines Kopfes riesengroß wirken ließen. »Wie? Was hast du gesagt?«
    »Ich sagte, du fickst meine Frau, stimmt doch, Teo? Sei ein Mann. Gib es zu. Komm schon, du Dreckskerl, los...«
    Leberkopf. Er spannte den Bizeps an und die Muskeln, die wie Seile zu beiden Seiten seines Halses verliefen, und er stand so aufrecht da wie ein in den Boden gerammter Pfosten. »Das ist nicht der rechte Ort dafür, Ty«, sagte er, den Stapel Flugblätter unter dem einen Arm, das Megaphon unter dem anderen. »Du bist lange weg gewesen. Mach ihr nicht so viel Streß.«
    Das war’s also. Das war das Geständnis, auf das er gewartet hatte. Sandman hatte also tatsächlich recht gehabt – und er auch, er auch. Er wollte irgendwem weh tun in diesem kurzen Moment, der Picknickkorb in seiner Hand, die Nasenflöten setzten wimmernd ein, Blitzlichter blendeten – er wollte Teo weh tun, ihm sehr weh tun. Doch dann trat jemand dazu, irgendein Junge im Batik-T-Shirt, der sich gerade an seinem ersten Bart versuchte – »Teo, Teo, Mann, Teo«, sagte der Typ, schüttelte Teo die Hand und grapschte gleichzeitig nach den Flugblättern, um ihm zu helfen, Teo aber achtete nicht auf ihn, sondern wandte sich zu Tierwater um und verlieh seiner Stimme einen beschönigenden Schmelz: »Sieh mal, Ty«, sagte er, »du mußt das verstehen – wir stecken da alle gemeinsam mit drin.«
    Ja. Und dann hoben sie seine Tochter hinauf in die schwindelnden lichtdurchwallten Höhen dieses Baumes, und alle jubelten, alle, der ganze durchgedrehte Zirkus, Tierwater jedoch war allein mit sich und empfand nichts weiter als Haß und Angst.

Sierra Nevada, Mai 2026
    Es ist heiß. Das scheint das Hauptmerkmal der Erfahrung zu sein, die ich, Andrea und Petunia machen, während wir den Olfputt über höchst unerfreuliche Straßen manövrieren – entwurzelte Bäume, umgestürzte Telefonmasten, überall Schlaglöcher und Krater, mit etwas anderem als einem Geländewagen oder einem Militärfahrzeug wäre man hier sowieso aufgeschmissen. Sicher, da draußen hinter den getönten Scheiben – 55° verkündet das LED-Display im Armaturenbrett, und der Wind ist so staubig, daß man an Lawrence von Arabien denken muß – sind sogar Leute vom Straßenbauamt am Werk, aber die haben noch eine Menge Arbeit vor sich. Bald wird der Regen wieder fallen und die Straßen unterspülen, und dann haben sie noch mehr Arbeit. Andrea fährt. Ich sehe aus dem Fenster. Petunia, die mit Maulkorb, Laufgeschirr und Leine gebändigt ist, sich ansonsten aber frei hinten im Wagen bewegen kann, wenn sie überhaupt Platz findet zwischen dem vielen Proviant und dem Hausrat, den Flaschen mit gutem Wein und den Erinnerungsstücken, die wir mitgenommen haben, schwitzt. Und stinkt.
    Wir stecken im Verkehr fest – vorsicht baustelle –, und ich denke an die Berge, an die hohen Bäume und den süßen Duft der Nächte dort oben, an die guten Zeiten damals, unsere Familienzeit, als wir die Drinkwaters waren. Auch wenn ich hier ein schales Klischee riskiere, sage ich das Übliche: das scheint so lange her, als wär’s vor der letzten Eiszeit gewesen, aber so ist es ja wirklich. Inzwischen gibt es da oben wilde Siedler, die Eichhörnchen jagen und versuchen, sich von der Natur zu ernähren, und wie ich höre, haben die Bäume nach einem Vierteljahrhundert voller Überschwemmungen, Dürrezeiten, Käferinvasionen und Stürmen ziemlich was abgekriegt. Wenigstens vor Kahlschlägen brauchen wir uns nicht mehr zu fürchten – heute wird nur noch Fallholz gesammelt.
    Ein Schweißrinnsal arbeitet sich als Vorhut meine Wirbelsäule hinab, das Wageninnere riecht wie das alte Raubkatzenhaus im Zoo von San Francisco, und der knallharte Sitz des Olfputt martert meinen Rücken. Wir fahren seit vier Stunden und sind noch nicht mal in Bakersfield. »Drehst du die Klimaanlage noch etwas rauf, bitte?« höre ich mich sagen.
    »Sie ist schon voll aufgedreht.« Andrea grinst mich an. Sie genießt das. Für sie ist es ein Abenteuer, wieder mal ein Spiel mit der Welt, mal sehen, was diesmal dabei rauskommt.
    Ich habe steife Glieder. Ich bin genervt. Ich muß pinkeln. Außerdem müssen wir auch Petunia ihr Geschäft verrichten lassen, wenn wir sie je an die Leine gewöhnen wollen, und vor uns – wir kriechen jetzt voran, der Motor heult, über Bodenwellen, in

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