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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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gewarnt, daß es Tage wie diesen gibt . »Nein, danke. Echt.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja, echt.«
    Aber Andrea, die es vor zwei Tagen noch gar nicht gab und die inzwischen mich, das Haus und alles darin besitzt, hat heute hier einen Teeladen. »Er wird dich wärmen«, sagt sie. »Nicht daß es draußen kalt ist, nicht so wie früher jedenfalls – weißt du noch, der Stanislaus River, wie es damals geregnet hat? Und wie wir uns im Wald die Ärsche abgefroren haben – wie lange? Zwei Tage oder so? Aber wenn man ständig durchnäßt ist...«
    »Was hast du denn da?«
    »Lapsang Souchong.« Ein Blick auf mich. »Hab ich mitgebracht.«
    Seltsamerweise finden die Frauen das witzig, als wäre ich ein Barbar, dem man keinen Teebeutel in der Küche zutrauen würde, und so verflüchtigt sich die ganze Spannung, die ich diesem Augenblick einimpfen wollte. Es ist ein Lachen der Erleichterung, der Kameraderie und Nostalgie, doch es hat auch etwas Verschwörerisches. Ich erkenne es – immerhin bin ich die Zielscheibe mit dem schwarzen Zentrum darin, das wollen wir mal nicht vergessen –, aber Andrea ist wieder da, sage ich mir, Andrea , da sollte ich besser mitschwimmen, wo immer es mich hintreibt. Also lache ich mit. Und es ist ein ehrliches Lachen, wirklich, das ungebremste Wiehern, das mir in den Proletenkneipen immer Ärger eingebracht hat, weil ich selbst davon mitgerissen werde. Ich war auch dabei im Headwaters Forest und am Mono Lake und einem Dutzend anderer Orte, genau wie sie. Ich kann lachen. Ich kann immer noch lachen. Wieso auch nicht? Radfahren verlernt man ja auch nicht, oder? Ha-ha, ha-ha.
    »Scheiß auf den Tee«, höre ich mich sagen, denn in meiner armseligen, engen Zweizimmerbude mit den überlaufenden Eimern und dem Gestank nach Endzeitschimmel und Tierfäkalien erklingt auf einmal das musikalische Lachen von zwei Frauen. »Machen wir lieber eine Flasche Sake auf.«

Siskiyou Forest, Juli 1989
    Am deutlichsten erinnert er sich an den, der Boehringer hieß. Sie waren zu dritt, und ihre Namen standen in schwarzer Schrift über der rechten Brusttasche ihrer Tarnanzüge: Boehringer, Butts und Jerpbak. Sie kletterten aus dem Jeep, ihre Gesichter sagten: Das hier ist kein Scherz , die Vorschlaghämmer trugen sie wie Gewehre über der Schulter. Sheriff Bob Hicks von Josephine County nickte beifällig, während er die dunkelbraune, schlanke Röhre einer Pepsiflasche aus einem Kühlfach des Streifenwagens fischte und sie an die Lippen hob. »Dope-Kommando«, raunte Teo leise.
    Das ist also das Dope-Kommando, dachte Tierwater, aber der Gedanke führte nicht viel weiter. Er beobachtete sie teilnahmslos, er war müde bis auf die Knochen, hatte die Sonne, die Bäume und die harte Schotterstraße satt, auf der er nun schon das halbe Leben zu sitzen schien. In diesem Augenblick dachte er gar nichts, war tief in sich versunken, seine Lippen brannten unter dem Klebeband, jeder Atemzug quälte sich durch die Nasenlöcher wie ein prall aufgepumpter Luftballon, er wollte es nur noch hinter sich bringen, Frau und Tochter nehmen und nach Hause gehen, den Kopf im Sand vergraben. Vielleicht war er aber doch nicht so fertig, wie er aussah. Vielleicht dachte er an Thoreau, seinen derzeitigen Helden (zusammen mit den Vätern der amerikanischen Umweltbewegung, John Muir, Aldo Leopold und Edward Abbey): Die Regierungsgewalt kann kein umfassendes Recht über mich und mein Eigentum haben, sondern nur so weit, wie ich zustimme. Ja. Sicher. Klar dachte er daran. Aber natürlich stand er gerade erst am Anfang einer Narrenreise, wie er noch nie eine unternommen hatte.
    Boehringer, Butts und Jerpbak hatten alle zusammen noch nie von Thoreau, Muir, Leopold oder Abbey gehört – die kannten nicht mal Jefferson. Und selbst wenn, es hätte wenig mehr bewirkt als ein Floh auf einem Elefanten. Sie gehörten zu einer Eliteeinheit von fünfhundert waffengeilen paramilitärischen Spinnern, die bei der Marineinfanterie rausgeflogen waren und jetzt damit beschäftigt waren, den illegalen Marihuanaanbau auf dem Boden der Forstbehörde zu unterbinden. Das war ihr vorgeblicher Zweck, aber in Wahrheit – da alle Graspflanzer, außer sie waren total ahnungslos oder ständig zugekifft, ihre Stauden längst im Haus kultivierten, um der Fahndung zu entgehen – wurden sie dazu eingesetzt, Menschen wie Tyrone Tierwater und seine Frau und Tochter einzuschüchtern, also jeden, der es wagte, sich dem Profit in den Weg zu stellen, der beim Ausplündern der

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