Ein Freund der Erde
mit Klebeband verschlossen hatte, womit ihm sogar der Einsatz der Zähne unmöglich war. Immerhin, der Typ, der seiner Tochter Schmerz zugefügt hatte – Boehringer –, krachte gegen seinen Nebenmann, Butts, der gerade mit dem Hammer ausholte, die beiden umarmten einander kurz und zaghaft, als lernten sie einen Tanzschritt, ehe sie in einem Durcheinander aus Khaki und Tarnanzug zu Boden gingen.
Lange blieben sie allerdings nicht liegen. Und als sie ihre Gliedmaßen entwirrt und sich aus dem Staub der Straße erhoben hatten, waren ihre Gesichter wie verwandelt. Nicht mehr die starre Maske von Pflicht und Beherrschung, abgewandter Blick und gewissenhaft zusammengepreßte Kiefer – ihre Mienen waren jetzt lockerer, brutaler und vertrauter. Der eine stützte den anderen, während Teo zur Ablenkung laut auf sie einschrie, mit der hohen, gepreßten Stimme eines Erdnußverkäufers im Baseballstadion: »Hallo, Officers! Officers, würden Sie bitte die Typen suchen, die uns das hier angetan haben, und sie verhaften? Wir erstatten auch Anzeige – ich meine, da stehen wir hier und tun nichts Böses, als auf einmal diese, diese Jugendgang aus dem Wald kommt und die Typen uns den ganzen Beton hier auf die Füße kippen...«
Sie beachteten ihn nicht. Aber sie griffen auch nicht wieder nach ihren Vorschlaghämmern, nicht sofort jedenfalls. Butts packte Tierwaters gefesselte Arme und riß sie in den Schulterblättern nach oben, während Boehringer, der Gestoßene, ihm die rechte Faust in den ungeschützten Bauch rammte – einmal, zweimal, dann die Linke, dann wieder die Rechte –, bis Tierwater, der Pazifist, wieder auf der Straße lag, die keine Straße war, und aus zwei absolut unzureichenden Nasenlöchern nach Luft schnappte. Atmen war unmöglich. Sie hatten ihm die Lunge leergeboxt, was schlimm genug war – und auch beängstigend; er glaubte, sie würde sich nie wieder füllen –, aber noch dazu war sein Mund zugeklebt. Flach auf dem Rücken liegend, die Arme nach hinten verdreht, die Knöchel im Beton verklemmt, warf er sich herum wie eine frisch gefangene Forelle (oder ein Schnapper – wäre das nicht noch passender?) kurz vor dem Ersticken in der süßen, sauberen, unverfälschten Luft der Wälder von Oregon.
Der dritte Mann – das war Jerpbak – sah einen kurzen Moment lang zu, bevor er den Hammer auf Teos linken Knöchel niedersausen ließ, während der Sheriff Pepsi soff und die übrigen Waldis wegsahen. Andrea brüllte, mit ihrer Lunge wenigstens stimmte noch alles, ein Ton, der wie ein Sturm durch die Schlucht scholl und sie erfüllte, als gäbe es kein anderes Geräusch auf der Welt. Und seine Tochter – er konnte sie nicht genau sehen, aber er erinnerte sich daran, wie sie sich nach innen zurückzog, weniger und kleiner und immer kleiner wurde, eine Pfütze in Schwarz, ein Fleck, ein unbedeutender verschwindender kleiner Klecks zwischen den mächtigen Stämmen der Bäume und dem gigantischen, erdrückenden Deckel des Himmels.
Er erwachte in einem Bett, in einem Zimmer, in dem ein Fernseher von der Decke und steife steril-weiße Vorhänge vor den Fenstern hingen. Keine Gitter. Keine mit dem Fußboden verschraubte Kloschüssel, kein Gestank nach menschlichen Körpern, kein Gemurmel, kein Gekotze, kein dunkler Schatten, der sich zum Gruß von einer an die Wand gedübelten Bank erhob. Er war nicht im Knast, soviel stand fest, aber das Rest Ye May Motel war es auch nicht. Die Platten an der Decke hatten kleine Löcher, so wie Deckenplatten überall, und die Wände waren in einer sauberen klaren Schattierung von institutionellem Blaßgrün gestrichen. Aber was war das? Eine Kanüle. In seinem linken Arm, mit Heftpflaster fixiert. Das war es also. Er lag in einem Krankenhaus. Der Gedanke ließ ihn kurz erstarren. War es ein Herzinfarkt gewesen? Mit neununddreißig? Er dachte an seinen Onkel Sol, den alten Weltenbummler, der mit Frank Buck in Singapur gearbeitet hatte und früher oder später von jeder zweiten Spezies auf der Erde gebissen und verletzt worden war, dessen Herz stark genug gewesen war, um Blut für zehn Männer zu pumpen, dieses Herz, das immer noch pumpen würde, hätte ihn nicht eines schönen Tages, als er sich gerade über seine Bulbulkäfige beugte, eine Koronarthrombose niedergestreckt, und dann dachte er an seine Tochter: Wenn er hier im Krankenhaus war, wo war dann sie? Und überhaupt, wo war Andrea? Teo?
All diese Mysterien klärten sich im nächsten Augenblick, als Deputy Sheets vom
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