Ein Freund der Erde
amerikanischen Wälder lockte. Nicht daß er eine Predigt halten wollte.
(Um uns loszukriegen, nahmen sie Vorschlaghämmer – hab ich das schon erwähnt? –, und Behutsamkeit war ihnen kein allzu großes Anliegen. Wenn ein Schlag mal danebenging und eine eiserne Faust auf Knöchel oder Schienbein traf: Pech gehabt! Die Argumentation lief etwa so, samt diverser rhetorischer Schnörkel: Was habt ihr denn erwartet? Wenn ihr einen Knöchelbruch vermeiden wolltet, wieso seid ihr dann nicht unten in Kalifornien geblieben bei all den anderen Schwulen und Umweltschützern? Hier bei uns arbeiten die Leute für ihren Lebensunterhalt, damit habt ihr nicht gerechnet, was? Von mir aus könnt ihr sämtliche Eulen der Welt in einen Fleischwolf schmeißen, ich sage immer noch, ein einziger Job für einen Amerikaner ist mehr wert.)
Sie sahen niemanden an, diese Männer, nichts tangierte sie – ihnen war es völlig egal, ob sie Marihuanastauden abfackelten oder Aktivisten in den Knast schleppten. Allerdings hatten sie nicht mit Andrea gerechnet. Sobald die drei aus dem Jeep stiegen, verhärtete sich ihre Miene. Und es war kein gewöhnliches Gesicht, sondern eine Miniatur-Kinoleinwand, jederzeit imstande, einem in erschreckender Großaufnahme entgegenzuspringen und blitzschnell vom Weichzeichner der Kerzenschein-Liebesszene im noblen Restaurant zum gleißenden Licht der Konfrontation zu überblenden. In Konfrontation war sie besonders gut, wie Tierwater bezeugen konnte. Ihre Augen schwollen pneumatisch an, und drei aufstrebende Vs bildeten sich zwischen den Brauen und lauerten dort wie Raubvögel. Ihr Kinn wurde zum Mount Rushmore. Und ihr Mund – dieser Mund, der küßte, knabberte und leckte, zärtliche Worte und erotische Ermutigungen flüsterte – wurde abrupt knausrig, schrumpelte zu einem Stück Dörrfleisch zusammen.
Sie einzuschüchtern war also nicht so leicht. Und als die Hammerschläge niedergingen und Sierra die Augen schützte vor dem schmerzhaften Sprühen der Betonsplitter, da legte sie los, mit einer Stimme wie eine Luftschutzsirene: »Ich glaub’s einfach nicht. Ihr wollt Männer sein? Meint ihr etwa, es ist ein Beweis für Männlichkeit und große Schwänze, daß ihr Frauen und Kinder mißhandelt? Los, redet, ihr Ärsche! Ich höre euch nicht. Und glotzt mich nicht so an, ihr leeren Hosen mit eurem mongoloiden Grinsen –au! –, denn wenn ihr eine Frau habt, was ich bezweifle, denn welche Frau würde solche Dumpfbacken wie euch nehmen wollen – AU ! –, oder eine Schwester, ihr müßt doch Schwestern haben, jeder hat mindestens eine. Was ihr hier tut, ihr alle, das ist falsch, und ihr wißt es auch. Wenn ihr nicht damit aufhört, jetzt und sofort, wird die ganze beschissene – au! geh mir hier gefälligst nicht an die Wäsche –, die ganze beschissene Biosphäre zusammenbrechen, wie ein Ballon, in den man eine Nadel pikst, und wo bleibt ihr dann wohl in euren Kostümen zum Soldatenspielen? Hä? Was wollt ihr machen? Was werdet ihr essen? Schon mal drüber nachgedacht? Wenn sie nämlich – au! – die Supermärkte schließen? Hä? Was dann?«
Es tat weh. Mehr als es Tierwater vorstellbar gewesen war, als er seine Turnschuhe in die nachgiebige, formbare Masse gesteckt hatte, die nun steinhart war – tatsächlich zu Stein geworden war –, doch er biß die Zähne zusammen und dachte an die Mohawk-Indianer. Die Hämmer schlugen pausenlos zu, der dumpfe Hall der Schläge wurde vom Schallschutzschirm der Bäume geschluckt. Irgendwann tat sich ein Spalt auf, auf den gingen sie los, brachen hier einen Keil heraus, hebelten dort einen Brocken los. Er versuchte, dabei ruhig zu bleiben, versuchte die Wut zu schlucken, die ihm in der Kehle hochstieg – passiver Widerstand, das war der Hit: die Strategie, die das britische Empire in die Knie gezwungen, den Vietnamkrieg gestoppt und George Wallace wie Bull Connor gedemütigt hatte –, aber als seine Tochter aufstöhnte, wirklich nur schmerzhafte Überraschung aushauchte, ein leises Winseln beim Dröhnen des Hammers an ihrem Fußknöchel, stach ihm dieser Laut ins Mark.
Ehe er sich’s versah, fuhr er in seiner Betonfessel hoch wie ein angekettetes Tier und verpaßte dem nächststehenden der Männer – es war Boehringer, der mit dem leeren Blick und den schmalen, angespannten Schultern – mit aller Macht einen Stoß. Der zugegebenermaßen nicht allzu heftig war, da seine Hände hinter dem Rücken verschnürt waren, die Füße feststeckten und man ihm den Mund
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