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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Knochenknackerfieber, weil es sich anfühlt, als ob einem alle Knochen brechen, wenn man es hat. Aber wir können so lange drin bleiben, wie wir wollen – Scheiße, von mir aus können wir Tag und Nacht wie die Imker verkleidet rumlaufen –, nur: womit sollen wir die Tiere füttern, das wüßte ich gern. Gestern ist alles weggespült worden, und bis auf die Löwen haben sie alle nichts zu fressen gekriegt.«
    Andreas Miene wirkt – erfreut. Oder fast erfreut. Und April Wind, die in einen bunten Latinoumhang gehüllt ist und der eine Tonfigur des aztekischen Regengottes Chac an einer Lederschlinge vom Hals baumelt, ist ebenfalls verzückt. Es dauert einen Moment, bis ich kapiere – das Unwetter tobt, die Pest ist unterwegs, und sie sind mit Maclovio Pulchris in einem Haus eingesperrt: Auftrag erfüllt.
    Mir gefällt das nicht. Es gefällt mir ganz und gar nicht. Die Mucosa ist eine üble Sache, eine Art Extremgrippe, sie wird durch den oberflächlichen Kontakt übertragen und bewirkt Entzündungen an den Schleimhäuten der Geschlechtsorgane, der Atemwege und der Augen, regt sie zu Überaktivität an, bis man buchstäblich in den eigenen Körpersekreten ersäuft. Es tut weh. Es dauert lange. Und es ist kein schöner Anblick.
    »Es wird dich überraschen, Ty Tierwater, aber in diesem Haus gibt es Fleisch«, sagt Mac gerade und skatet behende durch den Raum, um unter einem elektronischen Reliefporträt von Gladys Knight and the Pips in Pose zu gehen – eine kleine Vorstellung für das im Eßzimmer versammelte Publikum. Seinen Gesichtsausdruck würde ich als verschlagen beschreiben, außer daß er gar keinen hat – Hut, Brille und Maske, mehr sehe ich ja nicht von ihm.
    »Fleisch?« entrüstet sich April Wind. »Aber du bist doch Vegetarier, oder? Ausgerechnet du – ich meine, ich hab deine Biographie und die vielen Zeitschriftenartikel gelesen, alles...« Sie glotzt zu ihm empor und vergißt ihren Teller mit Fladenbrot, sauer-scharf eingelegten Limetten und Spiegelei, zubereitet von Macs unsichtbarem Koch und lautlos serviert von einer maskierten Pakistanerin, die im selben Moment wieder verschwand, als der Teller den Tisch berührte. »Du bist Vegetarier. Das weiß ich.«
    Andrea steht allein mitten in dem riesigen Raum und sieht aus, als hätte jemand sie zwischen zwei Liedern auf der Tanzfläche stehengelassen. »Wahrscheinlich hat er das nur für seine Gäste, für die Partys – Barbecue You und so. Stimmt’s? Ist doch so, Mac?«
    Mac. Vor zwei Tagen hat sie ihn kennengelernt – durch mich, über mich –, und schon heißt es Mac-dies und Mac-das und Kann ich dir noch ein Soda holen, Mac, oder ein paar Weintrauben schälen, und Was meinst du dazu, Mac?
    Er grinst – das merkt man daran, daß die Ecken der Gazemaske sich unter der Plastikrundung seiner Sonnenbrille dort leicht heben, wo die Muskeln seiner fleischlosen Wangen sein müßten. Er sieht mich an – jedenfalls dreht sich sein Kopf zu mir. »Ach was, Ty, jetzt dreh mal nicht durch – komm mit, ich zeig’s dir«, und nun gerät er in Bewegung, Maclovio Pulchris, der Ex-Popstar, der seit sechzehn Jahren keinen Hit mehr hatte, gleitet federleicht durch den Raum und ergreift meinen schmerzenden, widerspenstigen Arm, die beiden Als zucken zusammen und wechseln nervöse Blicke, weil ihr Arbeitgeber einem anderen Menschen gefährlich nahe kommt, auch Andrea tritt hinzu, und sogar April erhebt sich von ihrem kaltgewordenen Spiegelei. »Unten im Keller, Ty – im östlichen Keller, schön weit weg von den süßen braunen Löwen, und du weißt genau, wie gern ich die mag, Mann, also sieh mich nicht so an! Scheiße, ich habe eine Riesenkühlkammer voll mit dem Zeug – Schnitzel, Rumpsteaks, Schweinswürste, Lammkoteletts, Hot dogs, Filet Mignon, was auch immer. Wir könnten fünfzig Löwen füttern!«
    Persönlich habe ich nie an das Vegetariertum geglaubt, außer als ökologisches Prinzip – logisch, daß man wesentlich mehr Menschen von Reis oder Getreide ernähren kann als futterintensive Tiere wie Rinder, und außerdem weiß jeder, der heute auf der Erde lebt, daß McDonald’s und Burger King und ihresgleichen damals die Regenwälder abgefackelt haben, um Weideland für noch mehr Rinder zu schaffen, trotzdem lasse ich es nicht zur Religion werden. Fleisch ist ja nicht das Problem, sondern die Menschen. Im Gefängnis bekamen wir Spaghetti bolognese, Chili con carne, Fleischwurstbrote, solche Sachen, und ich hab’s mit Freuden gefuttert, ohne lange

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