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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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einfach. (Das ist natürlich relativ gemeint – im Vergleich zu der Woche davor, als ich wenig andere Sorgen hatte als die Frage, was ich zum Lesen aufs Klo mitnehmen oder welche Suppendose ich zum Abendessen öffnen sollte, war das hier der siebente Kreis der Hölle.) Chuy zurrte das Lasso fest, watete zu mir und blieb am offenen Tor des Geheges stehen, um zu sehen, was passierte – und um das Tor zuzuwerfen, falls irgendwas schiefging. Ich stapfte zum Olfputt zurück, die Strömung riß an meinen Altmännerbeinen, der Wind klatschte mir eine Bö nach der anderen ins Gesicht, aber langsam schaffte ich es zum Wagen, kletterte auf den Rücksitz und konnte mit einiger Mühe auch die Tür zuziehen. Die beiden Als saßen vorn und betrachteten mich mit der Miene, die sie für diejenigen reservierten, die sich Mac mehr als zwei Meter näherten. Sie wirkten grimmig und mißtrauisch, aufgeblasen wie Ochsenfrösche, ihre schrankartigen Schultern ragten titanenhaft aus den schwarzen Regenmänteln, die Mac ihnen besorgt hatte. Außerdem wirkten sie verängstigt. »Was jetzt?« sagte der Al am Lenkrad.
    Ich sah über die Schulter zu Chuy zurück, der mir, teilweise verschleiert durch den Vorhang des schräg fallenden Regens, mit hochgereckten Daumen das Zeichen zum Loslegen gab. Ein Windstoß riß an dem Geländewagen. »Leg den Klettergang ein«, sagte ich, immer noch zu Chuy umgedreht, »und fahr den Abhang rauf, schön langsam.«
    Der Wagen setzte sich in Bewegung, das am Abschlepphaken befestigte Seil spannte sich, und im nächsten Augenblick sah ich weit hinter uns Dandelions massige Gestalt das Dach hinunterkippen und unbeholfen ins Wasser klatschen, alle vier Pfoten ausgestreckt wie das Fahrwerk eines Flugzeugs. Kurzzeitig war nichts von ihm zu sehen, dann aber tauchte sein Kopf auf, und ich sah die heftig rudernden Vorderpranken – tatsächlich, er schwamm! Doch damit endete das Wunder noch nicht: im nächsten Moment taten es ihm die beiden Löwinnen nach, plumpsten mit weltmüder Ergebenheit ins Wasser, paddelten neben ihm her, schnurstracks durch das offene Tor, und zockelten dann hinter dem Olfputt den Hügel hinauf. »Bis vor die Tür!« rief ich Al zu. »Bis vor die Tür!«
    Nun hätten sich daraus vielerlei Katastrophen entspinnen können – drei ausgewachsene, mißgelaunte und halbverhungerte afrikanische Löwen, die sich zwischen den Apartmentbauten frei bewegten, welche Summen hätte Mac dann wohl auf seine Schecks schreiben müssen? –, aber der neu entstandene Fluß, der von Rancho Seco Besitz ergriffen hatte, teilte sich genau vor Macs Hügel. Sein Grundstück war auf einmal zur Insel geworden, und obwohl die Raubkatzen durchaus hätten davonschwimmen können, um irgendwo die schlimmsten und blutigsten Greueltaten zu begehen, nahm ich doch stark an, daß sie klug genug waren, lieber ins Trockene und die Brust des wilden Emus verspeisen zu wollen, den wir ihnen vorausblickenderweise bereitgelegt hatten. Und nichts anderes taten sie dann auch. Ich lehnte mich zum Rückfenster hinaus, um das Seil zu kappen, und Dandy, der noch etwas wacklig von der Droge war, setzte sich erst zweimal in den Schlamm, ehe er seiner Spürnase – und seinen unbeeinträchtigten Gefährtinnen – durch die offene Tür folgte, hinein in die geräumigen Weiten des holzgetäfelten und mit Teppichen ausgelegten Kellers von Maclovio Pulchris. Uns blieb nur noch, die Tür zu schließen und zu sichern, wofür ich Al den Ersten den Olfputt über die Blumenbeete bis dicht vor die Tür setzen ließ, dann sprang Al der Zweite heraus und drückte höchst entschlossen seine Schulter dagegen. Als nächstes folgten die Holzbretter und die Fünfzehn-Zentimeter-Nägel, alle drei legten wir uns gerade voll ins Zeug, als Chuy triumphierend und mit breitem Grinsen auf uns zugestapft kam. »Jetzt wir holen noch Lily, verdad , Mr. Ty?«
    Und deshalb kann ich nicht schlafen – wegen der Tiere. Andauernd geht es um die Tiere. Löwen im Keller. Geier im Schwimmbad, die Hyäne im Geschenkeverpackungszimmer im ersten Stock. Es ist verrückt, total verrückt. Und das Wasser steigt weiter.
    Womit sollen wir sie füttern? Wie sollen wir ihre Behausungen säubern? Und wenn das Wasser wieder sinkt – falls es das je tut –, wird Mac die Energie aufbringen, noch einmal von vorn anzufangen?
    Ich weiß es nicht. Aber plötzlich dreht sich Andrea um, ihr Gesicht liegt dicht neben meinem auf dem Kissen, und im wäßrigen Licht des Morgengrauens sehe ich, wie sie

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