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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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gerade über dem Kamin durch die Holztäfelung. Aber das Stärkste war der sich aufbäumende Löwe – gut zwei Meter fünfzig hoch, mit ausgefahrenen Krallen und einem etwas dümmlichen Zähneblecken –, der vor dem Kücheneingang Wache hielt. Ratchiss hatte ihn liebevoll als den »Menschenfresser der Luangwa« vorgestellt, der einst siebzehn unglückselige Männer, Frauen und Kinder gerissen und verschlungen hatte.
    Und hier saß ebenjener Mann, der das Dasein dieses Löwen beendet hatte, und ließ seine eigenartigen Muskeln unter dem Hemd hüpfen, während er abwechselnd Dosen mit Bohnen und scharf eingelegtem Gemüse in das Regal stapelte und sich dabei aus dem Zweiliterkrug auf der Arbeitsplatte einen Beefeater’s Gin aus dem eingoß. »Hab was von Teo gehört«, sagte er. »Hab ihn sogar getroffen, unten bei mir.«
    Ratchiss bezog sich auf seinen Hauptwohnsitz, ein Haus in Malibu mit unverbautem Blick aufs Meer, zwei Swimmingpools und einer Galerie mit afrikanischer Kunst und Trophäen, die das Smithsonian Museum beschämt hätte. Er hatte das Haus für ein paar Tage der Obhut von Mag (oder Mug) übergeben, um für seine Gäste einzukaufen und nachzusehen, wie sie sich an die neue Umgebung gewöhnt hatten. Tierwater knurrte nur, aber das Knurren hatte eine kaum merkliche Intonation: Ratchiss hatte also von Teo gehört, und was hatte er mitzuteilen?
    »Ja, wir haben was miteinander getrunken und sind dann nach Santa Monica gefahren, in eine Kneipe, die ich da kenne. Er sieht gut aus, läuft auch alles bestens – E.F.! hat allein im letzten Monat fast achtzigtausend Dollar an Spenden und Mitgliedsbeiträgen eingenommen. Ach ja, eh ich’s vergesse: er hat mir das hier, äh, für dich...«
    Tierwater stellte die Einkäufe ab und nahm den dicken weißen Umschlag entgegen, den ihm Ratchiss hinhielt. Er stopfte ihn in die Tasche, ohne ihn weiter anzusehen, aber er wußte, was darin war: Hundertdollarscheine, einhundertfünfzig Stück, von seiner Sekretärin von seinem Geschäftskonto abgehoben und anonym an ein Postfach in Calabasas geschickt; das Postfach gehörte einem E.F.!-Sympathisanten, der das Kuvert an Teo weiterleitete, der es wiederum Ratchiss übergab. Umständliche, aber notwendige Vorsichtsmaßnahmen. Ziemlich sicher war das FBI inzwischen eingeschaltet: Tierwater war untergetaucht, als er nur auf Kaution frei war, hatte eine gerichtliche Anordnung mißachtet, sich eines tätlichen Angriffs, der Kindesentführung, der Kindesmißhandlung und Gott weiß was noch alles schuldig gemacht – und er hatte eine Bundesstaatsgrenze überschritten, um der strafrechtlichen Verfolgung zu entgehen. Er war ein Verbrecher und Desperado, ein Gesetzesflüchtiger, dem eine Gefängnisstrafe drohte, mehrere Jahre vielleicht sogar, Jahre hinter Gittern, und was hatte er getan? Die Füße in ein bißchen Zement gesteckt. Ein paar Leute provoziert. Den Planeten zu retten versucht. Verdammt, die sollten ihm lieber einen Preis verleihen...
    Doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Sierra war für die achte Klasse in der öffentlichen Schule von Springfield angemeldet – schlappe fünfundvierzig Kilometer entfernt, auf einer gewundenen Bergstraße –, und er und Andrea waren auf Dauer untergetaucht, bereit zum Zurückschlagen, wenn sich eine Möglichkeit dafür bot. Niemand wußte hier etwas von ihnen, und niemand wollte was wissen. Aber irgendwann würden sie eine Riesenaktion starten, so malte es sich Tierwater aus, und zu Helden der Umweltschutzbewegung werden. So wie Arizona Phantom. Oder The Fox. Typen, die zurückgeschlagen, etwas unternommen hatten, die etwas galten. Typen, die nicht nur einfach Platz einnahmen und soundsoviel Pfund Nahrung und Liter Flüssigkeit pro Tag verpraßten und in ihrem ganzen verdämmerten, kleinlichen und umweltverschmutzten Leben nichts als Abfall und noch mehr Abfall produzierten.
    Arizona Phantom war ein klassischer Fall. Der Kerl war Anfang der Siebziger an der Grenze zwischen Arizona und New Mexico aufgetaucht, ein anonymer Rächer, der den Kampf gegen die Kraftwerke in der Gegend von Four Corners und ein geplantes Bergwerk in der Black Mesa aufnahm, gegen die Firma Peabody Coal und deren Verbündete auf Bundesebene. Zweihundertfünfzig Meter hohe Schornsteine. Rußgeschwängerte Luft. Kohle für die Steckdosen von L.A., damit die Megalopolis sich noch weiter in die Wüste fressen konnte – das war der Plan gewesen. Friedliche Proteste blieben zwecklos. Lobbying half auch nicht weiter.

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