Ein Freund der Erde
eine gewisse Öffentlichkeit schaffen ließ. Teo war im Anmarsch. Er wollte reden. Was konnte das heißen? Noch mehr Anwälte? Noch mehr Freds? Davon hielt Tierwater gar nichts – er war jetzt Tom Drinkwater, gesichtslos und versteckt, und wenn er schon untergehen mußte, dann mit Pauken und Trompeten.
Eine halbe Stunde nach der Unterhaltung mit Ratchiss war er in der Küche und half Andrea beim Gemüseschneiden für den Salat zur Ergänzung des Auflaufs und der riesigen Fleischstücke, die Ratchiss auf dem Grill hinter dem Haus verkohlte, als er Teos Besuch anschnitt: »Übrigens, Teo kommt nächste Woche zu uns rauf.«
Er drehte den Kopf, um ihr Profil zu betrachten, den harten Höcker ihrer Nase, die scharfe Kante der Wange, die Haare, die in Lockenschichten auf ihre Schultern fielen. »Ja, Philip hat’s mir gesagt.«
Draußen, wo sich die Dunkelheit allmählich ballte, hockte Ratchiss über dem Feuer, einen Drink in der einen, die Grillzange in der anderen Hand. Er pfiff irgend etwas, leise und atonal, eine unerträglich vertraute Melodie – Seventy-six Trombones ? Das Thema von Die glorreichen Sieben ?
»Ach so?« Tierwater war überrascht. Und auch – er konnte es sich nicht verkneifen – leicht verärgert.
Sie sah auf ihre Hände und das Messer, das kunstfertig die Karotten auf dem Hackbrett in dünne Scheiben zerteilte. »Er hat mir auch einen Brief von ihm mitgebracht, zum Großteil E.F.!-Interna.« Sie warf ihm rasch einen Blick zu. »Erinnerst du dich an Robin Goldmann? Die uns den Wagen geliehen hat? Sie ist abgesprungen. Kein Wort zu irgendwem, ist einfach gegangen.«
»Keine Rechtsanwälte«, sagte Tierwater, »und keine Deals mit dem Staatsanwalt. Die haben mich rumgeschubst, und ich werde zurückschubsen. Wollt ihr echte Sabotage sehen und Zerstörung, wie sie noch nie einer erlebt hat? Schön, dafür werde ich nämlich den Rest meines verdammten Lebens aufwenden, und mir ist scheißegal...«
»Willst du den Brief mal sehen? Er liegt auf dem Nachttisch, gleich neben dem Bett.« Die Schneide des Messers knallte auf das Brett, Karottenscheiben kullerten. »Los, lies ihn ruhig.«
»Ich will ihn nicht lesen. Sag mir nur, was ihr ausgeheckt habt, weil ich nämlich langsam ziemlich gestreßt bin – ich meine, alles was ich unternommen hab, seit wir... seit ich dir begegnet bin, ist eine Scheißkatastrophe gewesen, eine Katastrophe nach der anderen, und ich wüßte gern mal, was hier läuft!«
Das Messer flog beiseite. Sie wandte sich ihm zu und wischte die Hände an den Shorts ab. »Nichts«, sagte sie. »Gar nichts läuft. Du hast dich doch nicht beherrschen können – attackierst diesen Schläger da im Siskiyou Forest, brichst aus dem Krankenhaus aus, fährst zu Sierra, obwohl ich dich gewarnt hatte...«
»Ja ja, gewarnt hast du mich.« Er zwang die Stimme in ein spöttisches Falsett: »›Glaubst du, ich würde Sierra mitnehmen, wenn ich mir nicht hundertprozentig sicher wäre, daß es ungefährlich ist?‹ Hätte uns Sierra damals nicht begleitet, wären wir nicht hier und mein Leben wäre nicht so kaputt, hast du dir das mal überlegt?« Wider Willen schrie er, obwohl ihm klar war, daß Ratchiss zuhörte – und Sierra vermutlich auch.
»Na schön. Ich hab einen Fehler gemacht. Was soll ich jetzt tun? Dafür bluten?«
»Ich will nur eins wissen«, sagte er, und jetzt bekam er seine Stimme wieder unter Kontrolle, versuchte es wenigstens. »Hast du je was mit ihm gehabt?«
»Wovon redest du? Mit wem?«
Er senkte die Stimme, sprach so leise, daß er es selbst kaum hörte. »Mit Teo.«
Später, nach dem Essen und nachdem Sierra ihren Ekel über den blutigen Berg von geschnittenem Fleisch geäußert hatte, der ihnen von Ratchiss vorgesetzt worden war (» Wie nennst du das Zeug – Carpaccio?«), und Ratchiss eine schwüle sarkastische Anekdote über die Verfolgung eines verletzten Leoparden im dichten Busch zum besten gegeben hatte, in der er dem Tier mit einem doppelten Schuß aus seiner Schrotflinte mitten im Sprung den Kopf wegputzte, als er nur noch einen halben Meter vor ihm in der Luft hing, fühlte sich Tierwater langsam besser. Was ihn störte, war nicht so sehr Teo, sondern was Teo repräsentierte. Einmischung. Außenwelt. Alltag. Die letzten drei Wochen war eine Idylle gewesen, das wußte Tierwater, aber er wollte, daß diese Idylle für immer weiterginge. Er sah zu Andrea, auf ihre Hände und Arme und wie sie zu Ratchiss und seinem Jägerlatein den Kopf schief legte, zuerst
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