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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Der Hilfsfonds zum Schutz der Black Mesa hatte irgendwann kein Geld mehr. Aber methodisch und unbemerkt, ohne je entdeckt zu werden und ohne daß die Armee von Wachleuten und Polizisten, die ihm auflauerten, seiner Ergreifung auch nur nahekam, verübte das Phantom Sabotage an den Gleisen der Black-Mesa-Eisenbahnstrecke und jedem größeren Ausrüstungsteil, das er fand. Letzten Endes wurden die Stollen zwar dennoch in das Erdreich getrieben und die Schornsteine aufgestellt, aber das Phantom – ein Mann für sich allein – zeigte der Welt, was wahres Engagement hieß. Oder heißen konnte.
    Der Fox war in Tierwaters Augen sogar noch besser, weil er sichtbar war – jedenfalls ließ er sich zu gewissen kritischen und dramatischen Momenten sehen, als eine Art Zorro der Öko-Bewegung. Angeblich war er nur ein besorgter Staatsbürger – ein Wochenendangler, ein Biologielehrer, ein Jogger –, der die Dinge in die eigenen Hände nahm, nachdem er mit angesehen hatte, wie die ortsansässige Industrie den Fox River im Norden von Illinois verschmutzte. Er verstopfte illegale Abflußrohre, kappte Schornsteine, hinterließ scharf formulierte Bekennerbriefe an seinen Tatorten und wurde einmal sogar in einem lokalen Fernsehsender interviewt (wenn auch mit Maske). Als seine faszinierendste Aktion aber – und sie heizte Tierwaters Phantasie ganz besonders an – war er einmal in der Büroetage der Topmanager von U.S. Steel aufgetaucht und hatte dort ein Zweihundertliterfaß Klärschlamm auf den Teppich gekippt. Ihr Typen erzählt uns doch immer, daß ihr das Wasser gar nicht verdreckt, sagte er. Wenn dem so ist, dann wird das hier dem Teppich ja nicht weiter schaden. Sprach’s und verschwand wieder.
    »Will nächste Woche raufkommen – hat dir was zu sagen.«
    Tierwater stand vor der offenen Kühlschranktür. Er nahm Salatköpfe, Karotten, Brokkoli aus den Papiertüten heraus und stopfte sie ins Gemüsefach. »Wer?«
    »Was meinst du mit ›wer‹? Teo natürlich. Von wem reden wir denn hier?« Ratchiss musterte ihn scharf, die Lippen von der Schärfe seines Drinks verzogen, die Augen zu Schlitzen verengt.
    Okay, sieh mich nur an , dachte Tierwater und wurde plötzlich zornig. Wenn Teo raufkam, könnte ihm jemand folgen. Und wenn ihm jemand folgte, ging bestimmt nicht Ratchiss ins Gefängnis, sondern Tyrone O’Shaughnessy Tierwater. Und seine Frau. Und seine Tochter. »Ist das nicht gefährlich?« fragte Tierwater und trat vom Kühlschrank zurück. Der ganze Friede dieses Tages war entwichen wie die Luft aus einem zischenden Ballon.
    »Teufel auch, glaubst du etwa, daß er hier im Auto angondelt, oder was?«
    »Wie denn sonst – mit dem Fallschirm?«
    Einen Moment lang herrschte Schweigen, Ratchiss musterte ihn, die Eichhörnchen keckerten in den Bäumen vor dem Fenster, ein leiser Ausruf der Verzweiflung oder der Freude – genau konnte er es nicht bestimmen – drang von den Monopolyspielern auf der Veranda herüber. »Der ist doch nicht blöd – er kommt zu Fuß her. Ein Freund fährt ihn nach Camp Orson an den Anfang des Wanderwegs, und du kennst ja Teo – den Bullen möchte ich sehen, der mit ihm Schritt halten kann. Nein, keine Sorge, Ty: diese Leute sind Profis. Wir sind Profis, sollte ich wohl sagen.« Er trat einen Schritt nach vorn, stellte das Glas auf der Arbeitsplatte ab und streckte die Hand aus – eine schwielige, harte, sehnige Hand, vom kalten Gin kühl geworden –, und Tierwater ergriff sie bereitwillig. »Niemand wird dich aufgeben, keine Sorge.«
    Andrea war der Sache voll ergeben – sie gehörte zu den Gründungsmitgliedern von Earth Forever! und war eine bezahlte Vollzeitmissionarin und Stunkmacherin erster Güte –, trotzdem spürte Tierwater, daß sie damit nicht gerechnet hatte. Ein anonymes Leben im Untergrund, als Dee Dee Drinkwater an einem Ort, der so weit weg von den hellen Lichtern war wie nur denkbar – tolle Landschaft, klar, aber wo war hier was los? Ihre Stärke war es ja, in der Öko-Bewegung die Runde zu machen, bei Cocktails und Horsd’œuvres Kontakte herzustellen, Dias zu zeigen, eine Rede zu halten und dann den Hut herumgehen zu lassen. Sie sah gut aus auf dem Podium, groß und imposant in ihrer tief ausgeschnittenen Bluse, mit brennendem Blick, sehr überzeugend, sehr verführerisch – wie Tierwater bezeugen konnte. Sie hatte noch nichts gesagt, aber er spürte, daß sie nach einem Ausweg suchte, einer Vereinbarung vielleicht, mit der sich irgendwie der Schaden begrenzen und

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