Ein Freund der Erde
Baumwollhandschuhe über und schraubte den Einfüllstutzen am Getriebegehäuse ab. »Genau hier, Ty – da mußt du den Sand einfüllen, heute nacht, wenn es dunkel ist. Mittelkörniges Siliziumkarbid wäre sogar noch besser, aber natürlich schleppen wir keinen Extraballast bis hierher. Und vergiß deine Stiefel nicht.«
Ehe sie aus dem dichten Wald traten, hatten sie sich auf Teos Drängen Wollsocken über ihre Wanderstiefel gezogen, um die Abdrücke ihrer Sohlen zu verwischen. Es war hellichter Tag, und sie waren Wanderer – nur Wanderer, nichts als Wanderer –, aber sie gingen kein Risiko ein. »Keine Sorge«, versprach Tierwater. »Aber ich sag euch, ich weiß nicht, ob ich bis heute nacht warten kann. Ich bin hier, die Maschinen sind hier, die Scheißsynthetikbäume stehen gleich da drüben – ich hätte nichts dagegen, den ganzen Dreck abzufackeln: die Plantage, die Geräte, alles auf einmal.«
»Ich weiß, Ty«, sagte Andrea, und ihre Hand lag auf seinem Arm, ein freundlicher, überzeugender, ehefraulicher Griff, dessen Druck Bände sprach, »aber du tust es nicht.«
Als der Unterricht für den Tag vorüber war, zogen sich die drei an ein Bachbett einen Kilometer weit weg zurück, und Andrea breitete ein Picknick aus – geräucherte Entenwurst, Asiagokäse, Artischockenherzen, frische Tomaten und Baguette, dazu eine flußwassergekühlte Flasche Orvieto. Sie tranken auf Tierwaters erste verdeckte Aktion – bevorstehende verdeckte Aktion –, dann schulterten Andrea und Teo ihre Rucksäcke und wandten sich das Bachbett hinauf zu dem Weg, der sie in drei Stunden zurück zu Ratchiss’ Hütte bringen würde. Und Tierwater? Der ließ sich die Sonne aufs Gesicht scheinen, las ein Buch, sah in den Himmel und wartete darauf, daß der Tag zu Ende ging und der Mond sich über die kahle Stelle im Berg schob.
Es war nach neun, als er aufwachte. Keine fünfzehn Meter von dort, wo er lag, hatte etwas den Bach durchquert, etwas ziemlich Großes, und es schreckte ihn aus einem traumlosen Schlaf. Ehe er sich recht erinnerte, wo er war und weshalb, mußte er als erstes an Sierra denken. Er sah auf die Uhr, horchte noch einmal auf das platschende Geräusch – es war ein Hirsch, mußte einer sein; entweder das oder ein FBI-Agent –, und er stellte sich Sierra vor, wie sie die großen Füße über die Lehne des Sessels aus Mopaneholz baumeln ließ und unter dem stumpfen Blick des ausgestopften Hartebeest in Ratchiss’ Wohnzimmer den Fänger im Roggen las. Sie war heute abend nicht dabei, und sie würde niemals – nie wieder – bei nächtlichen Unternehmungen dieser Art dabeisein. Er war fest entschlossen, daß sie ein normales Leben führen sollte – jedenfalls soweit dies möglich war, wenn man es unter falschem Namen in einem Museum voll afrikanischer Andenken in einer Hütte am Arsch der Welt zubrachte. Sie würde zur Schule gehen, etwas über die Westgoten und die Primzahlen lernen, abends abtanzen, sich eine neue Schar von üblen Freunden suchen, mit Dope und Alkohol herumexperimentieren, sich für gemütsarme Bands begeistern, über Fleischesser debattieren, revoltieren und widerrufen, sich zum zweitenmal einen Nasenring einsetzen lassen und im Cabrio hundertachtzig fahren. Und in fünf – genauer: in viereinhalb Jahren – hätte sie sogar ihre Identität wieder zurück.
Für Teo kam es nie auch nur ansatzweise in Frage, an so etwas teilzunehmen, undenkbar, jetzt nicht mehr – er war inzwischen das Aushängeschild von Earth Forever!, der Kerl, der das große Geld aufbrachte, und er konnte es sich nicht leisten, bei verdeckten Aktionen gefaßt zu werden. Er konnte sich an Kernkraftwerke ketten lassen, Bäume besetzen, predigen und publizieren, soviel er wollte, aber seine Reifenschlitzertage waren vorbei: »Wirklich, Ty«, hatte er gesagt, während er den Korkenzieher eindrehte, die Sonne knallte ihm aufs Gesicht, die Weinflasche klemmte zwischen seinen Beinen, »du verstehst doch, wieso ich jetzt keine außerplanmäßigen Dinger riskieren kann, oder?« Der Korken rutschte mit feuchtem, befreiendem Plopp aus der Flasche. »Aber ich beneide dich, echt!«
Und Andrea. Sie hatte ihre Geldstrafe gezahlt, genau wie Teo, und war auf Bewährung aus der Siskiyou-Geschichte herausgekommen – sie hatte ja auch niemanden attackiert. Und wer wußte denn, daß sie in dem kackbraunen Chevy gesessen hatte? Jedenfalls dachte sich das Teo so. Vielleicht würden sie sie in Ruhe lassen, vielleicht konnte Fred es irgendwie
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