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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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geradebiegen... »Dieses Kidnapping. Oder die Entführung, was auch immer. Das mit Sierra.«
    Tierwater hatte sie beobachtet. Sie hatte sich den Schirm der Baseballmütze ins Gesicht gezogen, um sich vor der Sonne zu schützen, und der Schirm hielt auch ihr Haar fest, während sie Käse schnitt und den Wein austeilte. Sie sagte kein Wort, aber Tierwater konnte in ihrer Miene lesen. Zweifel. Sie hatte Zweifel an ihm.
    »Hör zu«, sagte er. »Es gibt keinen Grund, weshalb ich das hier nicht allein tun könnte. Wie schwer wird es schon sein? Ich weiß, wie’s laufen muß. Und den Weg zurück kenne ich besser als ihr beiden.« Andrea blickte auf. Der Mützenschirm warf einen Schatten auf ihr Gesicht. »Stimmt doch, Schatz?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich hab kein gutes Gefühl dabei.« Das sagte sie, und möglicherweise meinte sie es auch so, oder glaubte es so zu meinen, aber eigentlich suchte sie einen Ausweg aus dieser verzwickten Lage, ob ihr das nun klar war oder nicht. »Und du bist dir sicher, daß du das allein durchziehen willst, Ty?«
    Sie hatte ihn das zweimal gefragt. Einmal bei Wein und Entenwurst und dann nochmals, als sie sich für einen Abschiedskuß zu ihm hinunterbeugte, kurz bevor sie und Teo zusammenpackten und aufbrachen.
    »Ist schon okay«, hatte er geantwortet. »He, der Fox hat auch immer allein gearbeitet, oder?«
    Jetzt aber war es dunkel, und er war allein, und irgend etwas platschte durch den Bach. Eingeschlafen war er in einer blankgescheuerten Granitpfanne dicht über der Hochwassermarke, an einer Stelle, wo die Frühlingsfluten eine Höhlung aus dem Felsen gegraben hatten, und er lag darin wie in einer aus Stein gehauenen Handfläche, gegen die das Wasser beständig anbrandete und dann weiterplätscherte, das weiße Rauschen der Unendlichkeit. Eine Minute verging und noch eine. Was ihn auch geweckt hatte, es war jetzt fort. Er lauschte noch eine weitere Minute, um sicherzugehen, dann erhob er sich und warf den Rucksack über die Schulter. Kurze Zeit später schlängelte er sich durch das Gestrüpp der kahlgerodeten Stelle, die Schritte gedämpft von den dicken Socken, die er über die Stiefel gezogen hatte, der nicht ganz volle Mond wies ihm den Weg in einen Schein, so fahl und kalt wie das Licht einer Traumlandschaft.
    (Und was hatte ich da im Rucksack? Die Werkzeuge meines neuen Handwerks: Rohrzange, Steckschlüssel, Handschuhe, Drahtschere, Bügelsäge, Plastikschläuche und einen Trichter, ein paar Müsliriegel, Wasserflasche, Messer im Futteral, Streichhölzer. Ich war ausgerüstet, um Zerstörung anzurichten, keine Gnade, keine Reue. Die kleinste Maschine dort war an die fünfzigtausend Dollar wert, und ich hatte vor, jedes ihrer beweglichen Teile zu sabotieren, wo es ging – aber raffiniert, höchst raffiniert, so daß ihnen anfangs gar nichts auffiel und sie ihre stinkenden Dieselmotoren laufen ließen, bis sie abstarben und einen Kolbenfresser bekamen. Ich wünschte nur, ich könnte dabeisein, wenn es passierte, ihre verdutzten Mienen sehen und die Bäume, die ich gerettet hatte und die nun weiter wuchsen, während die großen gelben Maschinen spotzten und spuckten und kläglich zum höchst kostspieligen Stillstand kamen.)
    Tierwater sah sich zweimal genau um – niemand und nichts bewegte sich, die Stille war vollkommen –, dann streifte er die schwarzen Baumwollhandschuhe über und begann mit seiner Maschinenwartung. Als erstes neutralisierte er den Schaufellader: er schraubte die Einfüllkappe am Ansaugkrümmer ab, wie Andrea es ihm gezeigt hatte, führte den Plastikschlauch geschickt ein und goß dann Becher für Becher Sand (Granitpulver, genauer gesagt) in den Trichter. Mit leisem erfreulichem Zischen glitt er hindurch und in die Eingeweide des Motors, und mit diesem Geräusch, mit dem Zischen von Sand in einem Plastikschlauch, würde er sein Leben lang nächtliche Arbeit assoziieren – und Rache.
    Nacheinander ging er zu jedem der Fahrzeuge, und er nahm sich nicht nur der Motoren, sondern auch aller Schmiernippel an, die er fand, und als er mit den schweren Maschinen fertig war, wandte er sich den beiden LKWs zu. Er hantierte behende, murmelte sich leise Anweisungen zu und verlor dabei jedes Zeitgefühl. Als er irgendwann doch einmal auf die Uhr sah, stellte er erstaunt fest, daß es drei Uhr vorbei war. Er mußte sich beeilen, mußte weg hier und den mondbeschienenen Weg nehmen, der ihn in Sicherheit und in die Anonymität seines Bettes bringen würde, und

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