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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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schon jetzt sah er den nächsten Tag vor sich, einen Drink am späten Nachmittag in der Bar, die Ohren weit aufgesperrt für die besoffenen Unterhaltungen, die rings um ihn auf und ab wogten. Sabotage? Was meinen Sie mit Sabotage? Wo denn? Wann? Sie scherzen wohl! Wer würde denn so was tun?
    Die Nacht atmete ein und atmete wieder aus. Er stand da und blickte in die Leere des Himmels empor, und eine lange Zeit rührte er sich gar nicht. Was verspürte er? Befriedigung – ja, jene besondere Energie, die man fühlt, wenn man weiß, daß man sein Bestes gegeben hat, die süße Erschöpfung nach einer gut getanen Arbeit, aber auch noch mehr: Wut. Er empfand immer noch Wut. Das hier war nichts, ein Nadelstich ins Netzwerk des Fortschritts, der Untergang von ein paar Maschinen – vielleicht gar, wenn er Glück hatte, einer ganzen Firma. Aber was war mit den Bäumen? Was war mit den vielen künstlichen Bäumen in der »Penny Pines Plantation«, eine Stunde zu Fuß entfernt von hier? Die wären immer noch da, oder? Und solange sie nicht vernichtet waren, eliminiert, entfernt vom Antlitz des Berges, gab es hier keinen Wald. Keinen richtigen Wald zumindest.
    Auf einmal setzte er sich in Bewegung. Nicht den Weg entlang, nicht in Richtung der Hütte, zu Andrea und seinem Bett, sondern zu der Stelle, wo die Kiefernhybriden in sauberen Reihen standen, so weit das Auge reichte. Die Luft war kühl – so um die fünfzehn Grad oder noch weniger –, aber er schwitzte beim Gehen, und obwohl er schwitzte, wurde er noch schneller. Fünfzig Minuten später war er inmitten der Pflanzung, kniete nieder auf der trockenen, nachgiebigen, krümeligen Erde, in der Hand die Streichhölzer. Das abrupte Fauchen des angerissenen Streichholzes, das aufflackernde Licht, als er es an einen der vielen Haufen von abgeschnittenen Zweigen hielt, und dann die flinken Flammenfinger, die durch die ausgetrockneten Nadeln flitzten. Er sah zu, wie der erste Baum Feuer fing, wie er in grellen Farben vor der Schwärze der Nacht explodierte, und während er davonrannte, gegen den Schmerz im Knie und seine gepeinigte Lunge ankämpfte, verwandelte sich die Welt in seinem Rücken, wurde es auf einmal so taghell, als wäre die Sonne zur Unzeit aufgegangen.
    Andrea murmelte etwas, einen Fetzen Traumdialog, und wälzte sich herum. In den Fenstern glomm das grünliche Licht von halb acht Uhr morgens, und als Tierwater die Decke anhob und zu ihr ins Bett schlüpfte, stieg der stille, warme, vertraute Duft der nistenden Kreatur auf und hüllte ihn ein, der Duft des Körpers seiner Frau, ihres wunderschönen, nackten, schlummernden Körpers, so reich an Eigenheiten und Möglichkeiten. Er knabberte an ihrem Ohr und schob einen Arm unter sie, so daß er ihre Brüste mit beiden Händen umfangen konnte. Er war erregt. Es brannte in ihm. Sie murmelte erneut und rieb ihr Hinterteil an ihm, ein schläfriges, präkoitales Kreisen der Hüfte. »Du bist wieder da«, sagte sie. »Das bin ich«, flüsterte er und spürte, wie ihre Brustwarzen hart wurden. Er dachte an Jane und Sherry und das halbe Dutzend anderer Mädchen und Frauen, die er gehabt hatte, und dann drehte sie sich zu ihm um und küßte ihn, und er dachte nur noch an sie, an niemanden sonst.
    Danach lagen sie nebeneinander und starrten ins Dachgebälk hinauf, während das Haus unter ihnen allmählich wach wurde. Man hörte eine Toilettenspülung, dann das Schmatzen der Kühlschranktür und Sierras Kassettenrecorder, der das gedämpfte Wummern ihrer düsteren Songs durch die Dielenbretter dringen ließ. Stimmen. Sierras. Teos. Das Knallen der Fliegentür, dann Ratchiss mit »Hollaho!« und Teos leise Erwiderung.
    »Du riechst nach Rauch«, sagte Andrea.
    »Ich?« Tierwater wußte, daß er zu weit gegangen war, daß sie garantiert Brandstiftung vermuten würden, nachdem die Maschinen außer Gefecht gesetzt waren, und er hatte die ersten Löschfahrzeuge schon zum Kampf gegen das Feuer herandonnern hören, als er noch auf dem Heimweg war. Die Brandwache auf Saddle Peak oder Needles mußte früh auf gewesen sein, denn die Hubschrauber waren am Himmel, ehe er auch nur Atem hatte schöpfen können, und bereits nach einer Stunde erfüllte das Brummen der Löschbomber die Luft. Als er aufgeblickt hatte, sah er drei von ihnen dicht über sich vorbeiziehen, blinkende Tragflächen und die Bäuche prall gefüllt mit Brandverzögerungsmittel.
    Sie lag jetzt auf einen Ellenbogen gestützt und musterte ihn. »Du hast doch nicht etwa da

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