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Ein Freund des Verblichenen

Ein Freund des Verblichenen

Titel: Ein Freund des Verblichenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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schneller als einst in der Kindheit das Kleingeld im Sparschwein, das mir mein Vater geschenkt hatte.
    Ich erinnerte mich, wie ich dieses Sparschwein zerschlagen hatte und mein Vater und ich mein Kapital gezählt hatten. Damals lachte meine Mutter, sogar ein bißchen zu laut und brüsk, weil meine gesammelten Münzen nicht einmal für die Hälfte eines neuen Sparschweins reichten.
    Ganz automatisch mußte ich an die von Dima zurückgegebenen Dollar denken. Ich zog sie hervor und legte sie auf den Tisch und spürte in demselben Augenblick das Verlangen, mir die Hände zu waschen. Es war ein rein physisches Verlangen, als wenn nicht ich mir die Hände waschen wollte, sondern die Hände selber sauber sein wollten. Dieses plötzliche Gefühl einer Gespaltenheit amüsierte mich. Ich kam mir selber furchtbar lächerlich und komisch vor. Und der Wunsch, mir nach der Berührung von Geld, und in dem Fall sogar noch von Dollar, die Hände zu waschen, war chrestomathisch und banal, als hätte ich gerade erst eine bis zum Erbrechen moralische Geschichte in einer alten sowjetischen Literaturzeitschrift gelesen.
    Während ich mich langsam beruhigte, mir aber trotzdem die Hände wusch, dachte ich weiter an diese Dollar. Nach langen Versuchen, meine Beziehung zu ihnen, oder besser, die Beziehung zwischen mir und ihnen zu definieren, kam ich plötzlich auf das einzige Wort, das alles an seinen richtigen Platz rückte. Ich begriff, daß diese Dollar fremde Dollar waren! Und sofort schwand die physische Anspannung im Verhältnis zu ihnen. Das Jucken in den Fingern hörte auf. Was machte es schon, daß es ›schmutziges‹ Geld war. Alles Geld ist dreckig, außer den gerade frisch gedruckten Scheinen. Alles Geld geht durch tausend Hände und Taschen von Gaunern, Verbrechern und bestechlichen Menschen. Das ist das Schicksal eines jeglichen Zahlungsmittels.
    Jetzt, da ich wußte, daß dieses Geld fremdes Geld war, wußte ich auch, wem es gehörte. Und die Rückgabe dieses Geldes war nur eine Frage der Zeit und meiner Entschlossenheit.
    Und immer noch schneite es. An das Geld dachte ich schon nicht mehr. Ich dachte nur noch an die Frau, der es gehörte, obwohl sie es bisher nicht einmal ahnte. Wieder lag ihr Foto vor mir. Daneben wurde eine Tasse Tee kalt.
    Der Abend legte sich über die Stadt und deckte sie mit einer Schneedecke zu.

25
    Es vergingen noch zwei Tage in Einsamkeit und mit weiteren Schneefällen.
    Und in diesen zwei Tagen reifte in mir endgültig der Entschluß, meine, wenn auch von mir erdachte, Schuld zu begleichen.
    Ich steckte die Dollar, die mir Dima zurückgegeben hatte, in einen Umschlag, in den ich auch noch den Fünfziger aus Kostjas Brieftasche legte. Auf den Umschlag schrieb ich Kostjas Adresse, und um noch etwas Zeit rauszuschlagen, ging ich erst gegen Mittag aus dem Haus. Auf der Borschtschagowskaja-Straße beschloß ich zu Fuß weiterzugehen. Meiner Vorstellung nach waren das höchstens etwa anderthalb Stunden.
    Ein frischer kalter Luftzug blies mir ins Gesicht.
    Ich ging ohne jede Eile, was aber meine innere Entschlossenheit nicht berührte.
    Unterwegs kam ich an einem Feinkostgeschäft mit einem Café vorbei. Hinter den Schaufensterscheiben sah ich Menschen, die Kaffee tranken, und freute mich. Ich ging hinein und stand kurz an.
    Meinen Kaffee trank ich langsam. Er war bitter und angebrannt. Ich hätte ihn auch überhaupt nicht trinken müssen. Aber masochistisch zog ich die Zeit in die Länge.
    Und als ich das Haus und den richtigen Eingang gefunden hatte, blitzte einen Moment die Hoffnung auf, daß niemand hinter der blaugestrichenen furnierten Tür zu Hause wäre. Ich drückte auf den Klingelknopf.
    ›Na ja‹, dachte ich. ›Ich warte eine Minute, und dann gehe ich …‹
    Aber hinter der Tür waren Schritte zu hören, und ich erstarrte in angespannter Erwartung.
    Lange betrachtete mich jemand durch den Spion. Dann fragte vorsichtig eine Frauenstimme:
    »Zu wem wollen Sie?«
    Auf diese Frage war ich nicht vorbereitet. Ich starrte auf den Spion, und mir fiel aus irgendeinem Grund ein, daß diese Spione immer die Gesichter der Menschen verzerren.
    »… Ich bin ein Bekannter von Kostja …«, verkündete ich unsicher.
    Die Tür wurde geöffnet. Mich betrachtete das vom Foto her bekannte Gesicht, nur daß es frischer war, keine Spur von der Müdigkeit wie auf dem Foto. Und sie hatte längere Haare als auf dem Foto. Wunderschöne kastanienbraune seidig glänzende Haare hingen bis auf die Schultern. Sie hatte

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