Ein frivoler Plan
in Paine Ramsdens Schlafzimmer zu sitzen – oder zu liegen. Mit leichtem Unbehagen wurde ihr bewusst, dass sie in einer für sie ganz untypischen Weise einem anderen die Zügel überlassen hatte. Von dem Moment an, da sie in Paines Armen gelegen hatte, hatte er allein alle Entscheidungen getroffen, angefangen von der Art und Weise, wie sie mit Oswalt umgehen wollten, bis hin zu Farbe und Schnitt ihrer Kleider. War es wirklich eine gute Idee, einen Mann, der praktisch ein Fremder für sie war, über ihre Zukunft entscheiden zu lassen? Abgesehen von dem Vergnügen, das er ihr bereiten konnte – was wusste sie wirklich von ihm?
In mancher Beziehung war Paine Ramsden für sie ein Fremder. Auf vage Gerüchte, die sie über ihn gehört hatte, konnte sie sich nicht berufen. Paine Ramsden war ihr ein Rätsel. Zum Beispiel war es unwahrscheinlich, dass ein berüchtigter Spieler sich die Mühe machte, ein Anwesen zu kaufen und die Zeit aufzubringen, es in ein geschäftliches Unternehmen zu verwandeln. Solche Bemühungen kündeten von langfristigen Bindungen, etwas, das sie nicht mit Spielern in Verbindung brachte, die in der Regel nicht weiter planten als bis zur nächsten Karte oder dem nächsten Würfelspiel.
Weiter verwirrte sie seine fremdländische, aber noble Art, körperliche Beziehungen zu betrachten – eine Sichtweise, die zwar reichliche Affären ermöglichte, doch dabei in einem streng moralischen Sinn vorging, der den meisten Angehörigen der englischen ton fehlte. Dieser heuchlerischen Gesellschaft war seine Sichtweise fremd und unverständlich. In der ton wurde an der Tradition festgehalten, die Jungfräulichkeit zu bewahren, doch Julia bezweifelte, dass die Schürzenjäger, die die ton bevölkerten, von solchen Skrupeln geplagt wurden, wie Paine sie hatte.
Der Gegensatz zwischen dem Klatsch und der Wirklichkeit, auf die sie bei Paine getroffen war, verwirrte sie vollends. Sie hatte ausdrücklich nach einem Mann gesucht, der sich nach der abgemachten Tat nicht mehr für sie interessierte. Stattdessen hatte sie einen Mann gefunden, der aus seinen eigenen Gründen an ihrem Leben teilhaben wollte. In einer Stadt mit Tausenden von Männern hatte sie den einen ausgewählt, der sich an Oswalt rächen wollte.
Julia gab sich nicht dem Irrtum hin zu glauben, Paine ließe sie aus romantischen Gründen hier bei ihm verweilen.
Er ließ sie bleiben, damit sie ihm bei seiner Abrechnung mit Oswalt half. Allein aus diesem Grund konnte sie ihm nützen.
Alles andere – das Liebesspiel, die Einführung in intime Künste – bedeuteten ihm nichts Besonderes. Er war ein Mann, der an eine andere Art von Lebensführung gewöhnt war, einen anderen Ehrenkodex befolgte als ein englischer Gentleman. In der englischen Tradition war die Entjungferung gleichzusetzen mit einem armseligen Liebesakt. In Paines ausländischem Ehrenkodex wurde ihr dagegen allem Anschein nach große Bedeutung beigemessen.
Es wäre nur zu leicht, seine ungewöhnlichen Taten durch englische Augen zu sehen und seine Absichten zu missdeuten, Julia musste vorsichtig sein, nicht zu vergessen, wie Paine die Welt sah, sonst würde sie noch unmögliche Gedanken über eine Zukunft mit ihm hegen – einem Mann, der leichter zu lieben als zu vergessen war.
Sie musste ihn vergessen. Irgendwann würde dies alles hier enden, und sie musste weiterleben. Paine Ramsden würde das mit Sicherheit tun. Er würde zurückkehren zu seinem rätselhaften Leben, seinen exotischen Affären, und die Nichte des Viscounts vergessen, die ihn gebeten hatte, sie zu entjungfern. Diese Vorstellung schmerzte sie.
Sie hörte, wie unten an der Rückseite des Hauses eine Tür zugeschlagen wurde, das Zeichen dafür, dass die Schneiderin gegangen war. Innerhalb weniger Augenblicke hörte sie Paines Schritte auf der Treppe, und gleich darauf wurde die Schlafzimmertür geöffnet.
„Julia, Liebste, du bist so geduldig wie ein Floh!“, erklärte er gut gelaunt. „Das ist Madame Broussard, nach Meinung vieler die beste Schneiderin der Stadt. Man kommandiert sie nicht herum wie einen gewöhnlichen Dienstboten. Dann lässt sie vielleicht Nadeln in deinen Kleidern stecken.“
Paine setzte sich neben sie und zog sich das Hemd aus der Hose. „Aber du hattest trotzdem recht. Das hat für heute genügt. Ich glaube nicht, dass ich es noch eine Minute länger ausgehalten hätte, deinen reizenden Körper anzusehen, der mit nichts als einem Hemd bekleidet war. Ich dachte, meine Hose platzt.“ Er nahm
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