Ein Ganz Besonderer Fall
ohne ein Wort vorbeigehen gelassen, denn er war völlig auf die drei konzentriert, die noch im Krankenzimmer waren. Die Steinwände trugen hallende Echos durch den Gang und die offenen Türen heran. Bruder Uriens Sinne waren durch seine Qualen so weit geschärft und so empfindlich geworden, daß er eine Gänsehaut bekam und seine kurzen Haare sich aufstellten, wenn er ein Geräusch vernahm, das einem anderen Ohr leise und sanft vorgekommen wäre.
Er führte exakt und gehorsam alles aus, was Edmund ihm auftrug: ein Bett verrücken, ohne den darin liegenden Kranken zu stören, der halb betäubt und sehr alt war, ein neues Bett für einen neuen Kranken aufbauen. Er sah dem Sheriff und dem Kräuterbruder offen nach. In seinem Kopf drehten sich noch die Worte, an die Hugh sich so gut erinnert hatte. All diese Dinge aus wertvollen Metallen und Halbedelsteinen, alle verschwunden, und eine Frau dazu. Ein Altarkreuz - nein, das war hier nicht von Bedeutung. Aber ein dazu passendes kleines Kreuz an einer silbernen Halskette… Benediktinerbrüder durften ohne besondere Erlaubnis, die nur selten erteilt wurde, keinen persönlichen Erinnerungen verhaftet bleiben, den Früchten der Welt, so unscheinbar sie auch schienen. Doch es gab Brüder, die Ketten um den Hals trugen - einen wenigstens.
Er hatte ihn einmal berührt und war bitter gedemütigt worden.
Er wußte es.
Auch die Zeit legte ein klares Zeugnis ab, die Zeit und der Ort. Wer aus Verzweiflung oder Gier tötet und sich in Bedrängnis sieht, nutzt jede Zuflucht, die sich bietet.
Wertsachen können versteckt werden, bis die Flucht möglich und sicher ist. Aber warum dem gebrochenen Kreuzfahrer bis nach Shrewsbury folgen? Die Flucht wäre leicht gewesen, nachdem Hyde verbrannt war. Wer zählte in einem solchen Inferno schon die Köpfe?
Doch niemand wußte besser als er, wie die Liebe, oder wie immer der richtige Name für diese Pein lautete, in der Seele eines Menschen entsteht, gehegt wird und schließlich wie ein Tyrann von ihm Besitz ergreift; hier drinnen im Kloster sogar mit viel größerer Wucht und Intensität als draußen in der Welt.
Wenn er so leiden konnte, blind und halb verrückt, dann konnte doch auch ein anderer leiden. Und hatten die beiden Opfer nicht eine Gemeinsamkeit, die sie aneinander band? Ihre unausweichliche Schuld und Qual, wenn schon nichts anderes?
Humilis war ein kranker Mann, der nicht mehr lange leben würde. Ein anderer würde seinen Platz einnehmen, wenn die Leere, die er hinterließ, unerträglich zu schmerzen begann.
Uriens Herz schmolz wie Wachs, als er daran dachte, was Fidelis in seinem undurchdringlichen Schweigen erlitt.
Er beendete die Arbeit, für die er in die Krankenstation gerufen worden war, schloß die Wäschepresse, sah sich noch einmal im offenen Krankenzimmer um und ging in den Hof hinaus. Er war in der Welt Leibdiener und Stallbursche gewesen. Er besaß keine handwerkliche Ausbildung und war vor dem Eintritt in den Orden nicht sehr belesen gewesen. Er stellte seine Wendigkeit und seine Kraft zur Verfügung, wo sie gebraucht wurden, drinnen wie draußen, und übernahm jede Arbeit. Er murrte nicht über die Mühe, die ihm manche Arbeiten machten, und fand seinen ungelernten Beitrag auch nicht bedeutungslos. Das Feuer, das in ihm brannte, brauchte einen Ausdruck, denn sonst konnte er in seinem Bett nicht einschlafen und war beim Aufstehen nicht erfrischt. Doch was auch immer er tat, er konnte sich nicht von der schmerzhaft klaren Erinnerung an das Gesicht der Frau lösen, die ihn verstoßen und ihn einem unstillbaren Hunger und Durst ausgeliefert hatte. Er hatte ihr glattes junges Gesicht, das Abbild der Unschuld, und ihre grauen, strahlenden Augen im jungen Rhun wiedererkannt, bis diese Augen sich auf ihn gerichtet und ihn mit ihrer Süße und ihrem Mitleid bis ins Mark verbrannt hatten. Doch ihr volles, flammendes Haar, nicht rot, sondern leuchtend braun, hatte er bei Bruder Fidelis wiedergefunden, als Krone und Kranz über denselben grauen Augen, über den reinen Kristallen, an die er sich erinnerte. Die Stimme der Frau war klar, hoch und scharf gewesen. Dieses Spiegelbild seiner Erinnerung besaß keine Stimme und konnte deshalb nie grob oder böse sein, konnte ihn nicht verdammen und ihn nicht erschrecken. Und Fidelis war ein Mann, er war zum Glück keine grausame, verräterische Frau. Auch wenn er einmal erschrocken und verängstigt vor ihm zurückgezuckt war, Urien hatte gesagt und glaubte fest, daß es nicht
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