Ein Ganz Besonderer Fall
konnten nur mein Lager retten, die Bücher sind Asche.«
Das war in diesem Sommer in Winchester nichts Ungewöhnliches, dachte Nicholas resigniert. Auch der gewissenhafteste Schreiber ließ seine Bücher im Stich, wenn sein Leben auf dem Spiel stand; und wenn er Zeit hatte, außer dem nackten Leben noch etwas anderes zu retten, dann nahm er sicher die wertvollsten seiner Güter mit und ließ die Pergamente verbrennen. Es schien kaum der Mühe wert, Julians persönliche Gegenstände auch noch aufzuzählen, denn die waren noch weniger auffällig. Er zögerte unschlüssig, als eine schmale Tür geöffnet wurde. Aus dem Hof hinter dem Laden fiel Licht herein, und eine Frau betrat den Raum.
Als die Außentür geschlossen war, war sie im dunklen Laden nicht mehr zu sehen, doch dann trat sie an die Werkbank ihres Mannes ins helle Sonnenlicht der Straße und beugte sich vor, um ihm einen Becher Ale neben die rechte Hand zu stellen. Sie blickte dabei auf und betrachtete Nicholas neugierig und ruhig.
Eine gutaussehende Frau war sie, einige Jahre jünger als ihr Mann. Ihr Gesicht lag noch im Schatten der Klappe, die die Augen ihres Mannes abschirmte, doch ihre Hand kam einen Augenblick ins Sonnenlicht heraus, als sie den Becher abstellte. Eine bleiche, wohlgeformte Hand war es, deren Handgelenk in einem schwarzen Ärmel streckte.
Nicholas starrte fasziniert die Hand an, so gebannt, daß die Frau verwundert innehielt und die Hand nicht zurückzog. Sie trug am kleinen Finger einen Ring; vielleicht war er für die anderen Finger zu eng. Er war breiter als die meisten Ringe und bestand aus Silber, aber die Oberfläche war so dicht mit buntem Emaille besetzt, daß das Metall nicht zu sehen war.
Das Emaille war mit winzigen Blumen mit je vier ausgebreiteten Blütenblättern bemalt, abwechselnd gelb und blau, und dazwischen waren grüne Blätter. Nicholas starrte ihn ungläubig an wie einen Spuk, doch er sah ihn wirklich. Es konnte keine zwei Ringe dieser Art geben. Vielleicht besaß er keinen großen Wert, aber die Kunstfertigkeit und Fantasie, mit der er hergestellt worden war, unterschied ihn von allen anderen.
»Ich bitte Euch um Verzeihung, gnädige Frau!« stammelte er, während er versuchte, sich zusammenzunehmen. »Aber dieser Ring… darf ich wissen, woher Ihr ihn habt?«
Mann und Frau sahen ihn neugierig an; überrascht, aber nicht beunruhigt.
»Er wurde auf ehrliche Weise erworben«, sagte sie und lächelte etwas amüsiert über seinen Ernst. »Er wurde uns vor einigen Jahren zum Kauf angeboten, und da er mir gefiel, schenkte mein Mann ihn mir.«
»Wann war das? Glaubt mir, ich habe gute Gründe für diese Frage.«
»Nun, das war wirklich vor drei Jahren«, erwiderte der Silberschmied bereitwillig. »Im Sommer war es, aber das Datum… das kann ich nicht mehr sicher sagen.«
»Aber ich kann es sagen«, erklärte seine Frau und lachte.
»Eine Schande, daß du es vergessen hast, denn es war mein Geburtstag. Deshalb habe ich dir doch den Ring abgeschmeichelt. Und mein Geburtstag, Herr, ist am zwanzigsten August. Ich habe dieses hübsche Ding jetzt seit drei Jahren. Die Frau des Burgvogtes wollte bei meinem Mann eine Kopie in Auftrag geben, aber das wollte ich nicht zulassen.
Er muß der einzige seiner Art bleiben. Primel und Immergrün… so zarte Farben!« Sie drehte die Hand in der Sonne herum und bewunderte das glänzende Emaille. »Die anderen Stücke, die zusammen mit dem Ring kamen, wurden schon vor langer Zeit verkauft. Aber sie waren nicht so schön wie der Ring.«
»Es waren noch andere Stücke dabei?« fragte Nicholas.
»Eine Halskette aus polierten Steinen«, erklärte der Schmied.
»Jetzt erinnere ich mich. Und ein silbernes Armband mit Erbsenranken - es kann auch Wicke gewesen sein.«
Der Ring allein hätte schon gereicht; diese drei Dinge zusammen bedeuteten absolute Sicherheit. Die drei kleinen Gegenstände aus Julian Cruces persönlichem Besitz waren vor drei Jahren am zwanzigsten August in diesem Geschäft verkauft worden. Die erste deutliche Spur, doch sie führte in tiefes Dunkel.
»Meister Silberschmied«, sagte Nicholas, »ich habe die Liste der Gegenstände, die ich suche, nicht vollständig vorgelesen.
Diese drei Dinge kamen, wie ich sicher weiß, im Besitz einer Dame in den Süden, die nach Wherwell wollte, aber nie dort eintraf.«
»Was sagt Ihr da?« Der Schmied erbleichte und beäugte seinen Besucher besorgt und zweifelnd. »Ich habe die Dinge ehrlich erworben, ich habe nichts
Weitere Kostenlose Bücher