Ein ganz schoen starker Plan
sich den Kopf mit beiden Händen, als ob der plötzlich bleischwer geworden wäre.
»Ich hatte gedacht, er sei anders«, murmelte sie leise.
Ida trat dicht an sie heran und legte ihr die Hand auf den Rücken. »Wir hatten auch gehofft, dass er anders werden würde«, sagte sie und streichelte die Frau liebevoll.
Sie schaute zu uns auf.
»Ich muss es von ihm selbst hören, wenn er mich nicht mehr will. Tut mir leid, aber ich muss einfach hier auf ihn warten«, sagte sie energisch. »Und dass er mir nichts über seine feinen Kinder erzählt hat …«
Ida und ich wechselten einen Blick. Eine liebeskranke Frau, die tagelang, vielleicht wochenlang auf unserem Sofa herumlag, konnten wir wirklich nicht gebrauchen. Und was würde sie tun, wenn ihr aufging, dass Papa nicht von derNachtschicht im Finanzministerium kommen würde? Ich hatte Lust, eine Gemeinheit über Papa zu sagen, etwas, das ihr klarmachte, wie er wirklich war. Aber eigentlich wollte ich sie nur loswerden und endlich wieder unter meine Bettdecke kriechen.
»Ich rufe die Polizei an«, verkündete ich und ging zum Telefon.
»Dann zeige ich ihn wegen Diebstahls an«, sagte die Frau.
»Wegen Diebstahls?«
»Er hat Geld von mir geliehen. Ziemlich viel.«
Damit wussten wir, wieso Papa zusammen mit einer Frau verreisen konnte, auch wenn wir eigentlich immer pleite waren. Die Banken hatten Papa aufgegeben. Wir hätten sicher mit Rechnungen heizen können, wenn wir einen Kamin gehabt hätten. Jetzt war er auf Kosten dieser Frau auf Weltreise. Und sie durfte offenbar nicht mitkommen. Er war eine Art Doppelrennen mit zwei Frauen gefahren. Wenn ich mir das überlegte, musste mir eine Frau, die auf diese Weise fallen gelassen wurde, eigentlich ganz schön leidtun. Ich holte ein Glas Milch und stellte es vor sie hin. Sie sah das Glas lange an, dann schaute sie zu mir hoch. Ich nickte, wie um zu sagen, dass die Milch nicht vergiftet war und ihr Verfallsdatum noch nicht erreicht hatte. Die Frau nippte daran und bekam einen kleinen Milchbart.
»Wir haben auch nie von Ihnen gehört«, sagte ich. »Wie haben Sie Papa kennengelernt?«
Die Frau sah zuerst mich an, dann Ida. Während sie erzählte, zeichnete ich auf die Rückseite des Umschlags mit dem Brief der Rektorin einen Plan von Papas Gehirn.
Vielleicht ist es so, dass alle ab und zu einen kleinen Schock brauchen? Vielleicht war es gut für mich, wenn ich entdeckte, dass die Welt nicht so eingerichtet war, wie ich glaubte? Und ich etwas erlebte, das mich ein wenig schlechter schlafen und misstrauischer werden ließ? Ich war mir nicht sicher. Aber es war nicht witzig zu hören, dass Papa die Frau in einem Datingforum im Internet kennengelernt und ihr versprochen hatte, sie würden zusammenbleiben, für immer, nur sie beide. Sie würden Kinder bekommen, was sie sich so sehr wünschte. Aber Papa hatte vergessen zu erwähnen, dass es Ida und mich gab. Stattdessen lieh er sich Geld von ihr, um einen wütenden Kerl zu bezahlen, der ihm sonst die Beine brechen würde. Es sollte nur ein kleines Darlehen sein, bis er das Geld für ein Auto bekam, das er verkaufen wollte. Es war klar, dass Papa und ich verwandt waren. Wir konnten beide lügen, dass sich die Balken bogen.
»Papa hat gar keinen Führerschein«, sagte ich ernst. »Und der Einzige, der ihm die Beine brechen möchte, bin wohl ich.«
Die Frau hieß Isabell und war Nageldesignerin. Sie selbst hatte zehn rote Krallen. Isabell meinte, Papa habe alles, was sie sich je bei einem Mann gewünscht habe. Sie waren ins Restaurant, ins Café, ins Kino gegangen. Der Rest der Geschichte klang wie aus einer langweiligen Fernsehserie entsprungen. Kaum hatte er das Geld bekommen, da hörte sie nichts mehr von ihm. Genauso war er von Ida und mir abgehauen. Aber Isabell hatte er nicht einmal einen Zettel auf dem Küchentisch gegönnt.
»Da war er wohl doch nicht der Mann meiner Träume«, seufzte Isabell und leerte das Milchglas.
»Er ist auch nicht der Papa meiner Träume«, sagte Ida dazu.
»Aber er hat doch Kinder. Ich begreife nicht, warum er mir das nicht erzählt hat. Ihr seid ja so reizend. Wir könnten es so schön zusammen haben, wir vier. Geht es euch denn gut?«
Ida und ich nickten gleichzeitig. Sicher wäre es das Beste, Isabell hinauszuschaffen und zu hoffen, dass sie sich niemals wieder blicken lassen würde. Aber in mir schwappten so viele Gefühle herum, dass ich beschloss, alles auf eine Karte zu setzen.
»Papa ist verreist.«
Isabell sah mich
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