Ein ganz schoen starker Plan
ist in ihrem Gesicht verschmiert.«
»Vielleicht geht sie bald.«
»Sieht nicht so aus.«
Ich sank auf der Bank in mich zusammen. Jetzt musste ich meine Gedanken zusammentreiben wie eine durchgebrannte Schafherde. Wie wird man liebeskranke Frauen los? Was hatte Papa an sich, dass diese Frauen ihn liebten, bis sie sich in Tränen auflösten? Was, wenn er auch von dieser hier Geld geliehen hatte? Papa war zwar in letzter Zeit ziemlich viel unterwegs gewesen, hatte aber behauptet, dass sein Keramikkurs so viel Zeit verschlang.
Ich ging die Möglichkeiten durch.
Ihr sagen, Papa sitzt in einer Kneipe in der Innenstadt. Nachteil: Wahrscheinlich wird sie mit neuen Tränen bald wieder da sein.
Wir könnten hoffen, dass sie so verständnisvoll ist wie Isabell. Nachteil: Manche Frauen verstehen ungeheuer wenig.
Ich könnte sie mit einem Baseballschläger verjagen. Nachteil: Frauen, die von der Liebe gebissen sind, können ganz schön hitzig sein.
Ihr einreden, dass Papa sie nicht liebt. Nachteil: Das könnte zum GROSSEN ZUSAMMENBRUCH führen.
»Wir müssen weitergehen«, sagte ich und merkte, wie in mir eine Idee heranwuchs.
»Wovon redest du da?«, fragte Ida und hatte wieder diesen gekrümmten Mundwinkel.
»Du willst doch heute Nacht nicht draußen schlafen?«
Ida seufzte.
»Mach einfach ein wahnsinnig trauriges Gesicht«, bat ich.
Ich zog Ida ins Haus, lief die Treppen hoch und lugte im zweiten Stock um die Ecke. Und richtig, vor unserer Tür saßeine Frau auf dem Boden und hatte das Gesicht auf die Knie gelegt. Sie schien mit dem Schluchzen fertig zu sein. Ich legte meine Schultasche auf die Treppe und ging ruhig auf sie zu.
»Suchen Sie Goldi?«, fragte ich.
Sie fuhr herum. Es sah aus, als ob ein halbverrückter Künstler ihr Gesicht bemalt hätte.
»Was?«
»Oder vielleicht Guttorm? Suchen Sie Guttorm?«
»Ja, ich suche Guttorm, meinen großen starken Gorilla. Kennst du ihn?«
Gorilla war eigentlich ein ziemlich passender Spitzname. Auch wenn Papa sich den Kopf kahl geschoren hatte, so hatte er doch am Leib einen kleinen Wald aus Haaren und in letzter Zeit hatte er eine kleine Wampe entwickelt, die über seinem Hosenbund hing. Es wurde nie etwas aus dem Training, worüber er die ganze Zeit redete.
»Ein bisschen. Er ist der Freund meiner Mutter.«
Die Frau starrte mich entsetzt an.
»Der Freund von … wem?«
»Ja, bald heiraten sie und dann heißt es vielleicht nicht mehr Freund. Ich bin sehr froh, dass sie heiraten wollen, denn ihr voriger Freund hat mich und meine Schwester geschlagen«, sagte ich und zeigte auf Ida, die einige Meter hinter mir stand und traurig aussah. »Wir haben solche Angst, dass sie zu ihm zurückkehrt. Er hat Fäuste so groß wie Hämmer und immer eine Zange in der Hosentasche.«
Die Frau musste offenbar zu sich kommen, deshalb sagte ich nichts mehr.
»Was sagst du da? Eine Zange? Was macht er damit?«
Ich hob den Finger und fing an, den mit Ketchup beschmierten Verband abzuwickeln. Danach zeigte ich ihr den lockeren Nagel. Um den Nagel zog sich ein lila Rand und etwas grüner Eiter quoll heraus. Mir wurde selbst ein wenig schlecht.
»Oh, großer Gott!«, sagte sie und richtete sich auf. »Tut mir leid … ich will nicht …«
»Mama hat uns herbestellt, denn zu Hause kann jeden Moment unser alter Stiefvater auftauchen. Können wir mit Ihnen zusammen warten?«
Ich lebte mich jetzt wirklich in meine Rolle ein.
»Na ja, ich wollte ja gerade gehen. Ich kann Guttorm anrufen oder … ja, jetzt gehe ich, dann könnt ihr hier warten. Ihr Armen.«
»Nett, Sie kennenzulernen«, sagte ich, ehe sie durch den Gang davonlief.
Wir warteten, bis sie die Treppe hinuntergegangen und unten aus dem Haus verschwunden war. Ich wickelte den Verband wieder um meinen Finger und schloss die Wohnungstür auf.
»Ich glaube, sie kommt wahrscheinlich nicht wieder«, sagte ich.
»Sie hat mir ein bisschen leidgetan. Meinst du, es kommen noch welche?«
»Schwer zu sagen. Ich glaube, ich begreife so langsam, warum Papa nie die Teetasse nach Hause bringt, die er angeblich im Töpferkurs gemacht hat.«
»Was macht dein Finger?«
»Ich hoffe, der muss nicht amputiert werden.«
Wir setzten uns an den Tisch, griffen aber nicht zu unseren Hausaufgaben.
»Der Drache hätte hier überall Ordnung geschaffen«, sagte Ida leise.
»Hab ich doch auch. Und nein, wir rufen den Drachen noch nicht an, denn sonst wird die Wohnung hier zur Kaserne. Es kann zwar ein bisschen anstrengend sein, immer wieder
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