Ein ganz schoen starker Plan
holen?«
»Nein, ich muss dringend mit deinem Vater sprechen.«
»Er ist gebissen worden, von …«
»Keine Ausflüchte mehr, bitte. Ich muss endlich wissen, wie unsere Beziehung aussieht.«
Es passiert nicht sehr oft. Aber es gibt Augenblicke, in denen ich es schaffe, kein einziges Wort aus meinem Mund entweichen zu lassen. Papa hatte auch Cecilie angebaggert. Die an die Wände hämmerte und die übellaunige Nachbarin war. Die dringend eine Generalüberholung und eine fetzige Garderobe brauchte. Mit der Frau hatte Papa ein Verhältnis gehabt. Wieso hatte ich das nicht entdeckt? Sah ich nicht einmal mehr das, was sich genau vor meiner Nase abspielte?
»Habt ihr euch geküsst?«, fragte Ida, die plötzlich hintermir stand. Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und machte ein mürrisches Gesicht.
»Ihr solltet es ja nicht auf diese Weise erfahren, aber ich muss jetzt wirklich mit ihm reden«, sagte sie.
»Küssen geht so, dass man sich gegenseitig die Zunge in den Mund steckt«, erklärte ich.
»Ich weiß durchaus, was ein Kuss ist. Klar haben wir uns geküsst. Euer Vater ist ein guter Küsser.«
Ich stellte mir Papas Mund am Morgen vor. Halb schnarchend, mit etwas Sabber im Mundwinkel und einem Atem aus den ältesten Mooren. Was war eigentlich ein guter Küsser? Einer, der viel leckte und heftige Geräusche machte? Einer, der die Zunge wie einen Propeller rotieren ließ? Vermutlich lag es am Schock, dass mein Gehirn von Küssen besessen war. Ich versuchte, mir vorzustellen, wie die Zunge sich aus den Lippen der Nachbarin hervorstahl, und merkte, dass ich nicht bereit war für solche Gedanken.
»Er ist verreist. Ich könnte Ihnen seine Postkarte zeigen, aber Håkon hat sie in Fetzen gerissen«, sagte Ida.
»Er ist auf Mallorca«, fügte ich hinzu. »Das liegt schon fast nicht mehr auf der Landkarte von Europa.«
Cecilie sah zuerst mich und dann Ida an. Sie sah ein, dass wir nicht logen.
»Wann kommt er nach Hause?«
»Diese Information ist gesperrt«, sagte ich.
Es war deutlich, dass Cecilie jetzt den wütenden Rotton annahm, der ihr so wenig stand.
»Dann könnt ihr ihm sagen, er soll sich zur Hölle scheren«, sagte sie und verschwand wieder in ihrer eigenen Wohnung.
Sie fragte nicht, wer sich um uns kümmerte. Das war ein schlechtes Zeichen. Was, wenn sie das Jugendamt anrief, sobald sie wieder bei Fassung war? Ich begriff nicht, was Papa an der Frau gefunden hatte. Ob er von ihr wohl auch Geld geliehen hatte? Ich holte das Ketchup aus der Küche und ging hinaus ins Treppenhaus.
»Jetzt begehst du eine Dummheit«, hörte ich Ida hinter mir sagen.
Ich klingelte bei Cecilie. Nichts passierte. Ich klingelte wieder, diesmal länger. Als niemand aufmachte, klingelte ich ein drittes Mal und presste den Finger auf den Klingelknopf, bis Cecilie die Tür aufriss.
»Was willst du?«, fauchte sie.
»Ich soll Ihnen das von Oma geben. Sie passt jetzt auf uns auf«, sagte ich und hielt ihr das Ketchup hin.
Sie riss mir die Flasche aus der Hand. »Sonst noch was?«
»Ich wollte nur erzählen, dass Papa noch mehr auf die Postkarte geschrieben hat. Er wollte nicht, dass Oma, das ist die, die auf uns aufpasst, das sieht, deshalb hab ich die Karte zerrissen. Da stand, dass wir Sie ganz besonders grüßen sollen. Es tut ihm schrecklich leid, dass er Sie verlassen musste. Sie waren wie die Sommerluft, die er eingeatmet hat, Sie waren warm wie das Meer auf Mallorca, Sie waren schön wie eine Blume … Sie waren …«
»Ja, sag schon«, bat sie erwartungsvoll.
Ich musste schnell denken.
»Sie sind schöner als ein Sonnenuntergang und stärker als die Sherpas auf dem Mount Everest, und äh, Sie … sie leuchten heller als … die Fliesen auf unserem Klo, Sie sind …«
»Du weißt nicht mehr so genau, was er geschrieben hat, scheint mir?«
»Ich hätte die Karte wohl nicht so schnell zerreißen dürfen.«
»Er liebt mich also noch immer?« Sie sah mich an und drückte die Ketchupflasche an ihre Brust. Ihre Lippen öffneten sich zu einem Lächeln und sie ließ die Luft aus ihrer Lunge strömen wie aus einem geplatzten Fahrradschlauch.
»Danke, Håkon. Das freut mich wirklich.«
»War mir ein Vergnügen«, sagte ich und biss mir in die Unterlippe. »Hat Papa sich von Ihnen Geld geliehen?«
»Von mir? Nein, hatte er das vor?«, frage sie und runzelte besorgt die Stirn.
»Nicht doch, nicht doch. Er hat nur ziemlich wenig Geld zurückgelassen und Oma hat ihre Rente nicht bekommen und …«
Ich
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