Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
Vom Netzwerk:
sieht wie etwas aus, das meine Mum tragen würde.»
    «Ich werde bestimmt nicht ständig in Korsett und Strumpfhaltern herumlaufen, um dich glücklich zu machen. Und du hast meine Frage nicht beantwortet.»
    «Ich weiß nicht. Vermutlich. Ja.»
    «Aber wir hatten es nicht vor, oder?»
    «Lou, die meisten Leute ziehen zusammen, weil es einfach vernünftig ist. Du kannst jemanden lieben und trotzdem die finanziellen und praktischen Vorteile wahrnehmen.»
    «Ich will … bloß nicht, dass du denkst, ich hätte dafür gesorgt, dass es so kommt. Und ich will selber nicht das Gefühl haben, ich hätte dafür gesorgt, dass es so kommt.»
    Seufzend rollte er sich wieder auf den Rücken. «Warum müssen Frauen nur immer so lange auf einer Situation herumreiten, bis sie endlich zum Problem wird? Ich liebe dich, du liebst mich, wir sind seit beinahe sieben Jahren zusammen, und bei deinen Eltern war kein Platz mehr. Das ist doch ganz einfach.»
    Aber mir kam es nicht so einfach vor.
    Es kam mir vor, als würde ich ein Leben führen, über das ich vorher nicht hatte nachdenken können.
    An diesem Freitag regnete es den ganzen Tag. Warme, schwere Schauer wie in den Tropen, und das Wasser gurgelte durch die Regenrinnen und drückte die Stiele der Blütenstauden nach unten, als würden sie sich in einem flehenden Gebet krümmen. Will starrte aus dem Fenster wie ein Hund, dem man einen Spaziergang verweigerte. Nathan kam und ging. Draußen hatte er sich eine Plastiktüte über den Kopf gehalten, um sich vor dem Regen zu schützen. Will sah sich eine Dokumentation über Pinguine an, und danach, während er sich in seinen Computer einloggte, suchte ich nach irgendeiner Beschäftigung, sodass wir nicht miteinander reden mussten. Ich spürte die Anspannung zwischen uns ganz deutlich, und mit ihm im gleichen Zimmer zu sein, machte es noch viel schlimmer.
    Schließlich hatte ich doch noch verstanden, welcher Trost im Putzen liegt. Ich lief mit dem Mopp herum, putzte Fenster und wechselte Bettlaken. Ich war in ständiger Bewegung. Kein Staubpartikel entkam mir, kein Ring von einem Teebecher entging meinem Röntgenblick. Als ich gerade den Kalkablagerungen an der Badezimmerarmatur mit einem in Essig getränkten Stück Küchenrolle (ein Tipp meiner Mutter) zu Leibe rückte, hörte ich Wills Stuhl hinter mir.
    «Was machen Sie da?»
    Ich beugte mich noch tiefer über die Badewanne und drehte mich nicht um. «Ich entkalke die Armatur.»
    Ich spürte, wie er mich beobachtete.
    «Sagen Sie das noch mal», sagte er nach einer Weile.
    «Wie bitte?»
    «Sagen Sie das noch mal.»
    Ich richtete mich auf. «Warum? Haben Sie Probleme mit den Ohren? Ich entkalke die Wasserhähne.»
    «Nein, ich habe keine Probleme mit den Ohren, ich will einfach, dass Sie selbst hören, was Sie da sagen. Es gibt keinen Grund, die Wasserhähne zu entkalken, Clark. Meine Mutter wird nichts davon bemerken, mir ist es egal, und außerdem stinkt es dadurch im Bad wie in einem Fish-and-Chips-Imbiss. Abgesehen davon möchte ich gerne ausgehen.»
    Ich strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Es stimmte. Im Badezimmer hing eindeutig ein Geruch nach Schellfisch in Essig.
    «Kommen Sie. Es hat endlich aufgehört zu regnen. Ich habe gerade mit meinem Vater gesprochen. Er hat gesagt, er gibt uns nach fünf die Schlüssel zur Burg, wenn die ganzen Touristen weg sind.»
    Ich war nicht gerade begeistert von der Vorstellung, während eines Spaziergangs höfliche Konversation machen zu müssen. Aber der Gedanke, aus dem Anbau zu kommen, war trotzdem sehr verlockend.
    «Ist gut. Geben Sie mir noch fünf Minuten. Ich muss versuchen, den Essiggeruch von den Händen zu bekommen.»

    Der Unterschied, wenn man wie ich beziehungsweise wie Will aufgewachsen war, lag darin, dass er alles für selbstverständlich hielt. Ich glaube, wenn man so aufwächst wie er, mit wohlhabenden Eltern in einem schönen Haus, wenn man in gute Schulen geht und Besuche in edlen Restaurants Normalität sind, hat man vermutlich einfach das Gefühl, dass immer alles gut läuft, dass man von Natur aus eine höhere Stellung in der Welt hat als andere.
    Will erzählte, dass er während seiner Kindheit oft auf dem Burggelände gespielt hatte. Sein Dad hatte ihn überall umherstreifen lassen und darauf vertraut, dass Will schon nichts kaputt machen würde. Um halb sechs, wenn die letzten Touristen weg waren und die Gärtner begannen, Hecken zu schneiden und Laub zu rechen, während die Reinigungskräfte die Mülleimer

Weitere Kostenlose Bücher