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Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom

Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom

Titel: Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Attwood
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Priorität bei den Menschen und den Gesprächen liegt, nicht bei den Mustern auf dem Teppich oder bei der Beleuchtung. Menschen mit Asperger-Syndrom können weniger gut bestimmen, auf was sie achten sollen und was unwichtig ist. Normale Personen erinnern sich später vor allem an die anwesenden Menschen, ihre Gefühle und an die Gespräche; die übrigen Informationen werden schnell vergessen. Dagegen werden sich Menschen mit Asperger-Syndrom weniger daran erinnern, wer anwesend war, sondern eher an Dinge, die anderen als trivial oder unwichtig erscheinen.
    Die wohl komplexesten Informationen für ein Kind mit Asperger-Syndrom sind sozialer und emotionaler Art. Sobald das Kind die sozialen Regeln entschlüsselt hat, regt es sich sehr auf, wenn diese Regeln gebrochen werden. Das Kind wird zum Klassenpolizisten, der jeden Verstoß beobachtet und resolut Bestrafungen durchsetzt. Da gerade Jugendliche oft soziale Regeln und Konventionen infrage stellen, wird der Jugendliche mit Asperger-Syndrom sie immer wieder kritisieren. Damit wird er sich bei ihnen sicherlich nicht sehr beliebt machen.
Regeln und Routinen
    Die Diagnosekriterien des DSM-IV für das Asperger-Syndrom beinhalten, dass das Kind eine »offenbar sture Befolgung spezifischer, nichtfunktionaler Routinen und Rituale« 32 aufweist. Die Entwicklung von Routinen und Ritualen kann ein Zeichen für Angst sein, unter der Kinder mit Asperger-Syndrom besonders häufig leiden (siehe Kapitel 6). Ein weiterer möglicher Grund für die Entwicklung von Routinen ist ihre schwache zentrale Kohärenz, das heißt die Schwierigkeit, die Muster und die Kohärenz im Alltag zu bestimmen. Daher halten sie an einer einmal aufgestellten Routine oder einem bestimmten Verhaltensmuster fest.
    AUS DEM LEBEN
    Ordnung in ein unerträglich chaotisches Leben bringen
    Das folgende Zitat illustriert, warum jemand so sehr daran festhält, Ordnung und Sicherheit zu schaffen:
    »Die Realität ist für einen autistischen Menschen eine verwirrende, interagierende Masse von Ereignissen, Menschen, Orten, Geräuschen und Anblicken. Es scheint keine klaren Grenzen zu geben, keine Ordnung und keine Bedeutung. Ich verbringe einen großen Teil meines Lebens alleine damit, die Muster hinter dem Ganzen herauszufinden. Feste Routinen, Termine, bestimmte Routen und Rituale helfen mir, Ordnung in ein unerträglich chaotisches Leben zu bringen.« 33
    Donna Williams beschreibt es so:
    »Ich mochte es immer, Dinge zu kopieren, zu erschaffen und zu ordnen. Ich mochte unsere mehrbändige Enzyklopädie. Auf den Buchrücken waren Zahlen und Buchst aben und ich habe immer darauf geachtet, dass die Bände in der richtigen Reihenfolge standen. Ich schuf Ordnung aus dem Chaos. Die Suche nach Kategorien beschränkte sich aber nicht auf Enzy klopädien. Ich las auch das Telefonbuch, zählte alle Einträge des Namens Brown oder die Anzahl der Varianten eines bestimmten Namens oder suchte besonders seltene Namen. Ich erkundete das Konzept der Konsistenz. Die ständige Veränderung der meisten Dinge schien mir nie die Chance zu geben, mich auf sie vorzubereiten. Aus diesem Grund habe ich Freude und Trost darin gefunden, dieselben Dinge immer wieder zu tun.« 34
    Ein Kind mit Asperger-Syndrom und schwacher zentraler Kohärenz braucht also Routinen und Rituale für seinen Alltag, da sie das Leben vorhersagbar machen und eine Ordnung herstellen. Das Neue, das Chaos und die Unsicherheit verwirren und frustrieren nur. Wenn man an bestimmten Routinen festhält, gerät man nicht in Gefahr, sich mit neuen Situationen auseinandersetzen zu müssen, in denen man zunächst nicht weiß, wie man sich verhalten soll.
Erinnerungen an die früheste Kindheit
    Die schwache zentrale Kohärenz kann einen interessanten Aspekt des Asperger-Syndroms erklären, nämlich die Fähigkeit, sich an Ereignisse der frühesten Kindheit zu erinnern. 35 Normale Erwachsene können sich an Ereignisse zurückerinnern, die ab dem dritten oder sechsten Lebensjahr liegen; an frühere Ereignisse erinnern sie sich nur schwer. Erwachsene mit Asperger-Syndrom dagegen sind manchmal in der Lage, lebendige und korrekte Beschreibungen von Ereignissen aus ihrer ganz frühen Kindheit zu geben.
    So erklärten Alberts Eltern: »Er erinnert sich an Dinge, die passierten, als er noch ganz klein war; irgendein Vorfall, der nie wieder erwähnt wurde. Jahre später spricht er dann darüber und erinnert sich an jedes Detail.« 36 Albert selbst erzählt:»Ich erinnere mich, dass ich im

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