Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
»Frank-Sinatra-Syndrom«: »I did it may way« [»Ich mache das auf meine Weise«]. Auch Erwachsene mit Asperger-Syndrom geben mitunter nicht viel auf herkömmliche Anschauungen und Weisheiten. Ratschläge des Lehrers oder Lösungsverfahren anderer Schüler werden vom Kind nicht in Betracht gezogen. Es findet also einen neuen, individuellen Lösungsweg. Doch leider beruht ein Großteil der Aufgaben in der Schule auf herkömmlichen Lösungswegen und die »My-Way-Strategie« bringt den Lehrer zur Verzweiflung.
Flexibles Denken fördern
Es ist daher wichtig, dass Sie flexibles Denken fördern und zwar schon in frühen Lebensjahren. Spielen Sie beispielsweise das schon mal erwähnte Spiel »Was könnte es noch sein?«, bei dem man für einen Gegenstand verschiedene Verwendungszwecke findet. Ich halte beispielsweise eine Modelleisenbahnschiene in der Hand und frage das Kind, was es noch sein könnte. Die Vorschläge sind dann:
Die Flügel eines Flugzeugs (wobei man so tut, als wäre man ein Flugzeug mit der Schiene als Flügel),
eine Leiter, um in ein Baumhaus zu klettern (mit zwei Fingern tut man, als würde man die Leiter hochklettern) oder
ein Lineal, um eine gerade Linie zu zeichnen (man tut, als wäre die Schiene ein Lineal).
Oder Sie spielen: »Wie viele Verwendungsmöglichkeiten gibt es für …?« (zum Beispiel einen Ziegelstein, eine Wäscheklammer etc.). Diese Spiele machen Spaß und fördern das flexible und kreative Denken.
Sprechen Sie Ihre Gedanken laut aus
Wenn Sie als Erwachsener mit einem jüngeren Kind spielen, nutzen Sie entweder reale Situationen, die eine Problemlösung erfordern, oder schaffen bewusst eine solche Situation. Sprechen Sie Ihre Gedanken laut aus, damit das Kind Ihren verschiedenen Lösungsansätzen zuhören kann. Wenn Sie eine gemeinsame Lösung gefunden haben, bitten Sie das Kind zu überlegen, obauch ein anderer Ansatz zum Ziel geführt hätte. Durch dieses: »Wir könnten dies tun, aber genauso gut auch jenes«, lernt das Kind, dass es manchmal auch mehrere LÖsungen für ein Problem gibt.
Wenn Sie Ihre Gedanken aussprechen, sollten Sie auch Dinge sagen wie:»Wenn ich ruhig bleibe, finde ich die Lösung sicher schneller« und »Es ist immer klug, andere um Rat zu fragen.«
In der Schule kann der Lehrer dieses Aussprechen seiner Gedanken ebenfalls nutzen, um dem Kind eine Hilfestellung zu geben.
Mit Fehlern umgehen
Menschen mit Asperger-Syndrom konzentrieren sich oft auf Fehler, korrigieren kleine Unregelmäßigkeiten und neigen zum Perfektionismus, was dazu führt, dass sie eine Sache, die sie nicht perfekt beherrschen, gar nicht erst beginnen wollen. Die Angst vor Fehlern führt zu einer genauen, aber auch langsamen Arbeitsweise – und auch zur Pedanterie. Eigentlich kreativ tätige Betroffene, etwa Komponisten, Ingenieure und Architekten, tolerieren dennoch keine Veränderungen an ihrem Originalplan.
Da selbst Kinder mit Asperger-Syndrom sich eher als Erwachsene sehen, stellen sie auch viel zu hohe Ansprüche an sich selbst. Dass Kinder und Jugendliche mit Asperger-Syndrom oft besondere Angst davor haben, sich dumm zu fühlen oder zu erscheinen, haben wir schon mehrfach erwähnt. Infolgedessen gestehen sie besonders ungern ein, dass sie im Unrecht sind und wirken damit arrogant. Jeder Ratschlag wird als persönliche Kritik aufgefasst, was leicht zu Streit mit Lehrern und Freunden führt.
Es ist daher wichtig, dass die Sicht des Kindes auf seine Fehler verändert wird. Nutzen Sie Social Storys, um zu erklären, dass wir aus unseren Fehlern mehr lernen als aus unseren Erfolgen. Fehler können zu inte ressanten Entdeckungen führen. Ein Fehler ist eine Chance, keine Katastrophe. Seien Sie ein Vorbild und vermitteln einen konstruktiven Umgang mit Fehlern. Dabei helfen Bemerkungen wie: »Das ist ein schwieriges Problem, das dich dazu herausfordert nachzudenken und zu lernen. Zusammen können wir eine Lösung finden.« Auch wenn es Angst vor Fehlern gibt, sollte man nicht vergessen, dass es auch enorme Freude bereitet, etwas richtig zu können. Erfolg und Perfektion sind eine stärkere Motivation, als einem Erwachsenen zu gefallen oder Mitschüler zu beeindrucken.
Kinder und manchmal auch Erwachsene mit Asperger-Syndrom haben die Neigung, auf Fehler anderer Menschen hinzuweisen. Ihnen ist dabei meist nicht bewusst, dass sie damit soziale Konventionen brechen und den anderen in eine unangenehme Situation bringen – wenn sie beispielsweise den Lehrer im Unterricht korrigieren.
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